Melina Deymann zum Urteil des Internationalen Gerichtshofs

Gute Nachricht

Auf den ersten Blick mag das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im von Südafrika angestrengten Eilverfahren enttäuschend sein. Ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen wurde nicht angeordnet. In dem Urteil steckt jedoch einiges mehr. Nicht umsonst zeigen sich sowohl die Vertreter Südafrikas als auch die palästinensischer Organisationen zufrieden.

Das Gericht sieht in den Handlunge Israels durchaus plausible Anhaltspunkte für genozidale Absichten oder Handlungen. Damit führt es den deutschen Standpunkt ad absurdum, die Vorwürfe Südafrikas seien „ohne jede Grundlage“.

Entsprechend groß war die Aufregung in den deutschen Medien. Von „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bis „Tagesspiegel“ wussten alle besser als der Internationale Gerichtshof, wie das Völkerrecht zu interpretieren ist und wie der Richterspruch hätte lauten müssen. Die Regierung hatte es schließlich vorgebetet. Die Faktenlage in Gaza und die Begründung des Richterspruchs aus Den Haag sind da gleichgültig, auch wenn 70 Prozent der von der israelischen Armee Getöteten Frauen und Kinder sind.

Die wahre Stärke des Urteils liegt darin, dass sich ein Land des Globalen Südens für die Unterdrückten stark gemacht hat, die Richter in Den Haag die Klage nicht nur zugelassen, sondern auch die Begründung nicht verworfen haben – und dass Südafrika nicht allein war.

Rund 130 Staaten haben sich öffentlich unterstützend zur Klage Südafrikas geäußert, 19 von ihnen – darunter Namibia, Kuba, die Türkei, Brasilien und Kolumbien – haben sich den Vorwurf des Völkermords an den Bewohnern Gazas zu eigen gemacht. Auf der anderen Seite standen zur Unterstützung Israels nur acht Länder bereit. Es sind die üblichen Verdächtigen wie die USA, Britannien oder Ungarn. Nur eins ging so weit, Israel in Den Haag aktiv unterstützen zu wollen.

Der Berliner „Tagesspiegel“ hat die Gefahr darin erkannt und beschwört den Westen völlig ironiefrei: „Sie müssen dem Globalen Süden verdeutlichen, dass der Missbrauch internationaler Gerichte für ideologische Ziele die Rechtsordnung und ihre Bindewirkung beschädigt.“

Dass der Globale Süden gegen die „Rechtsordnung“ der westlichen Hegemonie aufbegehrt, ist die gute Nachricht, die hinter dem Urteil aus Den Haag steckt.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Gute Nachricht", UZ vom 2. Februar 2024



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