Zum Infektionsschutz in den Betrieben

Im Zweifel für den Profit

„Die Brennpunkte der Pandemie – das sind die Alten- und Pflegeeinrichtungen in Deutschland! Dort herrschen hohe Infektionsraten, teils massive Sterblichkeit, Besuchsverbote, drastische Vereinsamung für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie extremer Druck für die Beschäftigten“, stellte das Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen bereits zu Beginn der Pandemie im April des Jahres fest und forderte unter anderem regelmäßige Corona-Tests aller Bewohnerinnen und Bewohner und des gesamten Pflegepersonals alle vier Tage in allen Altenheimen sowie die Bereitstellung von hochwertigen Atemschutzmasken und Schutzkleidung.

Auch acht Monate später ist vom Betrieb gestellte Arbeitskleidung und deren Reinigung immer noch die Ausnahme in den Seniorenzentren. Mahnungen von Betriebsräten und Gewerkschaften blieben ungehört.
Und „die Politik“ spielt mit: Das zuständige Ministerium für Arbeit und Gesundheit hat seit dem Inkrafttreten des Wohn- und Teilhabegesetzes in NRW bis heute keine Verordnung zum Infektionsschutz und zur Hygiene in stationären Pflegeeinrichtungen erlassen hat. So spart sich das Land NRW die Kostenerstattung für höhere Pflegesätze. Doch auch die Einrichtungsträger möchten vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wettbewerbes nicht für den Infektionsschutz und die Hygiene zahlen. Das erklärt, dass in etwa einem Viertel der Heime die Pflegekräfte gar nicht oder nicht ausreichend mit FFP2- und FFP3-Atemschutzmasken und in etwa 80 Prozent der Heime nicht mit dienstlicher Arbeitskleidung ausgestattet werden.

Ein Großteil der Industriebetriebe konnte Profitinteressen mit Pandemieschutz verbinden, indem große Teile der Belegschaft ins Home-Office geschickt wurden. Die Beschäftigten in der Produktion hingegen tragen die Risiken einer Ansteckung, und das nicht nur in der Fleischindustrie.

Am Montag wurde bekannt, dass beim Automobilzulieferer Norma in Maintal etwa 20 Kolleginnen und Kollegen positiv getestet wurden, in erster Linie Beschäftigte im Werkzeugbau und auch aus einigen Büros. Bereits im Oktober hatte der Betriebsrat Versäumnisse angemahnt und den Schutz von Kolleginnen und Kollegen gefordert. Für die Geschäftsleitung ist allerdings alles im Lack: Ein umfassendes Hygienekonzept sei erstellt worden und das werde fortlaufend umgesetzt.

Das Corona-Virus hat zweifellos viel verändert. Den Klassencharakter unserer Gesellschaft allerdings nicht.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Im Zweifel für den Profit", UZ vom 18. Dezember 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Schlüssel.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit