über Seehofers Rückzug der Rassismus-Studie

Kein Wünsch-dir-was

Wo der Minister kein Problem sieht, fragt man besser nicht weiter nach. So hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) Anfang der Woche erklärt, warum er eine von der Regierung geplante Studie über „Racial Profiling“ durch die Polizei blockiert: „Ich erkenne weder im Öffentlichen Dienst noch bei der Bundespolizei diesbezüglich ein strukturelles Problem.“ Da könnte eine Studie wirklich nur zu Irritationen führen. Natürlich ist das nicht der einzige Grund, warum es der Minister für überflüssig hält, dass sich neben ihm selbst auch Wissenschaftler zu Polizeirassismus in Deutschland äußern. Ein weiterer Grund, den er allen Ernstes anführt: „Racial Profiling“ ist verboten. Wieso sollte man dann noch eine Studie durchführen?

Man könne nicht jede Woche Wünsch-dir-was spielen. Schließlich gibt es andere Probleme: „Schauen sie, wir haben seit Wochen eine ständige Kritik an der deutschen Polizei, zum Teil auch Verunglimpfungen“, gab Seehofer am Dienstag im „Morgenmagazin“ zum Besten. Logisch: Wenn im ganzen Land Menschen auf die Straße gehen, wenn an den Mikrofonen der antirassistischen Kundgebungen Betroffene schildern, wie demütigend und widerlich ihre Erfahrungen mit dem Rassismus der deutschen Polizei sind, wenn seit dem Mord an George Floyd so viele Menschen so vielen dieser Berichte zuhören, dass ihnen klar wird, dass es keine Einzelfälle sind, dann ist natürlich kein guter Zeitpunkt, um eine Studie über Polizeirassismus zu starten. Dann hat ein Innenminister die Aufgabe, die Kritik abzublocken und die Kritiker zu verunglimpfen.

Diesen typischen Seehofer hat auch der Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter „einigermaßen peinlich“ genannt und die Bundesjustizministerin findet die geplante Studie immer noch sinnvoll. Weil er mit so etwas gerechnet haben dürfte, garnierte Seehofer seine Absage der Studie mit dem, was er besonders gut kann: Er lobte sich selbst, in diesem Fall seinen entschlossenen Kampf gegen Rassismus im Öffentlichen Dienst – „ganz massiv“, „null Toleranz“.

Wir sind uns sicher: Wer das nächste Mal wegen seiner schwarzen Haare von der Polizei angegangen wird oder zu den Empfängern der nächsten Drohbriefe des nächsten Nazinetzwerks gehört, wird sich der markigen Worte des Innenministers erinnern und entspannt durchatmen.

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"Kein Wünsch-dir-was", UZ vom 10. Juli 2020



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