Zu Lohnkämpfen unter Inflationsbedingungen

Keinen Schritt zurück

Die Verbraucherpreise, meldete das Statistische Bundesamt Mitte Oktober, seien im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent gestiegen. Spitzenreiter sind vor allem solche Waren, die für Haushalte mit eher geringerem Einkommen den Löwenanteil ausmachen: Gemüse plus 9,2 Prozent, Fleisch plus 4 Prozent, Benzin plus 27 Prozent, Diesel gar plus 32,5 Prozent. Und der Topwert betrifft alle, die jetzt ihren Tank für den Winter noch nicht gefüllt haben: Heizöl plus 76,5 Prozent. Für die Lohnabhängigen, Arbeitslosen und Rentnerinnen und Rentner dürfte sich die Lebenshaltung daher eher um rund 5 Prozent verteuert haben.
Diese Zahl entspricht der Forderung, mit der die Gewerkschaft ver.di jetzt in die Tarifverhandlungen mit den Ländern geht. Rund 2,2 Millionen Menschen, die an Unikliniken, im Straßenbau und an anderen Stellen den Laden am Laufen halten, kämpfen daher nun darum, wenigstens keinen Reallohnverlust zu erleiden.
Gezielt auf sie und andere Lohnabhängige erleben wir dieser Tage von den Medien ein Trommelfeuer. Die Inflation sei nur vorübergehend und dringend müsse eine „Lohn-Preis-Spirale“ verhindert werden, durch die diese vorübergehende zu einer dauerhaften Plage werden würde.

Die im Moment so dröhnen, sind so lautstark wie argumentationsschwach. Zunächst liegt auf der Hand, dass schon der Begriff demagogisch ist: Wenn überhaupt, müssten sie vor einer Preis-Lohn-Spirale warnen. Oder welche der Lohnerhöhungen der letzten Jahre sollte Treiber der jetzigen Preiserhöhungen gewesen sein? Zweitens ist klar: Selbst wenn der unwahrscheinliche Fall einträte, dass die Preissteigerungsrate auf Null zurückginge, würde das jetzt erreichte Preisniveau ja nicht sinken, sondern bleiben.

Insofern darf es hinter die Forderung von 5 Prozent keinen Schritt zurück geben. Es wird in den nächsten Wochen interessant sein, wie sich hinsichtlich der Reallohnsicherung im öffentlichen Dienst diejenigen verhalten, die in wechselnden Zusammensetzungen in praktisch allen Landesregierungen der Republik auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen und die jetzt mit blumigen Worten eine neue Bundesregierung planen. Also SPD, Grüne und FDP. Unterstützen sie die Reallohnsicherung des öffentlichen Dienstes oder stimmen sie ein in den Chor der Inflationsleugner?

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"Keinen Schritt zurück", UZ vom 22. Oktober 2021



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