Kolonialexpeditionen

Lucas Zeise • Vom Kampf gegen drohende und aktuelle Kriege

Lucas Zeise

Lucas Zeise

Will die Friedensbewegung den drohenden Krieg verhindern oder will sie die bereits stattfindenden Kriege bekämpfen und beenden? Ein verrückte Frage. Denn die Antwort lautet natürlich: Beides. Die Friedensbewegung in der BRD und die DKP mit ihr bekämpfen die weitere Aufrüstung der NATO, den Truppenaufmarsch an die Grenze zu Russland, die Destabilisierung der Nachbarstaaten Russlands und die Versuche, Russland selber mit wirtschaftlichen und politischen Sanktionen zu destabilisieren. Ganz Ähnliches gilt für die Maßnahmen der USA und ihrer Verbündeten gegen China. Wir wenden uns, kurz gesagt, gegen die Vorbereitungen für einen großen Krieg.

Wir wenden uns aber nur mit begrenzter Kraft gegen die Kriege, die bereits geführt werden. Ein Fehler ist es, den Krieg nicht als solchen zu bezeichnen. Dazu zwei Beispiele: Der imperialistische Angriff auf Syrien wurde von einem Bündnis reaktionärer Golf-Staaten und den Nato-Staaten USA, Britannien, Frankreich, Deutschland, Türkei orchestriert. Es war und ist noch ihr Krieg. Der Unterschied zum Irak-Krieg des Jahres 2003 besteht vor allem darin, dass die kriegführenden Parteien (zunächst) keine eigenen Truppen einsetzten, sondern wie 1980 in Afghanistan Aufständische und Söldnerheere finanzierten, trainierten, mit Waffen versorgten und propagandistisch unterstützten. Der Krieg gegen Afghanistan wurde von den Herrschenden so genannt, bevor die Friedensbewegung es tat. Der kurz amtierende Kriegsminister zu Guttenberg machte sogar einen PR-Gag daraus, dass er die Wahrheit feststellte, nämlich dass die von ihm befehligten Soldaten in Afghanistan „Krieg führten“. In den Aufrufen und Flugblättern der Friedensbewegung war zur selben Zeit noch von den „Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ die Rede. Diese „Auslandseinsätze“ sind in Wirklichkeit moderne Kolonialkriege, die von den Kolonialmächten früher ähnlich verharmlosend „Expeditionen“ genannt wurden. Die deutschen Regierungen drängen sich seit 1990 dazu, an diesen Expeditionen an führender Stelle teilzunehmen. Es ist ein Fehler, die Kriege gegen Syrien, Jemen, Libyen, andere afrikanische Staaten und demnächst den Iran weniger ernst zu nehmen als den drohenden Krieg gegen Russland, zumal beides zusammenhängt. Diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist eine wichtige Aufgabe der Kommunisten. (Er hätte, nebenbei gesagt, in der im Juli erschienenen „Bildungszeitung“ der DKP stärker behandelt werden müssen.)

Der Imperialismus handelt international und globalisiert. Wir haben es mit den Versuchen des Imperialismus zu tun, die Herrschaft über die verschiedenen Regionen und Länder des Globus wieder zu gewinnen und/oder zu festigen. Die Herrschaft des US-Imperialismus ist stets gefährdet. Die Gefährdung geht nicht nur von sozialistisch oder antiimperialistisch orientierten Ländern, sondern allgemein von Völkern und Klassengesellschaften aus, die nationale ökonomische und politische Eigenständigkeit suchen. Ihre Staaten und Regimes betreiben insofern eine antiimperialistische Politik, wie sie sich der Aggression und Herrschaft der Imperialisten erwehren (müssen). Die Periode der Entkolonisierung ist mit dem Fall der Sowjetunion zu Ende gegangen. Seit dem Fall der Sowjetunion ist ein Prozess der Rekolonisierung, eine Offensive des Imperialismus in Gang. Die oben genannten Kriege sind zugleich Vorgeplänkel zum großen Krieg, wahrscheinlich der Auseinandersetzung mit China und/oder Russland. Sie sind noch nicht der große Krieg, der auch in den imperialistischen Zentren ankommt. Aber sie sind Kriege, die unsere Hauptfeinde, der US-Imperialismus und der deutsche Imperialismus, betreiben.

Die Friedensbewegung hat beim Krieg der USA gegen Vietnam gezeigt, wie Internationalismus funktioniert, wie wichtig Kolonialkriege auch für die Länder des Imperialismus sind und welchen Beitrag die Friedensbewegung – unter damals günstigeren Bedingungen – für die Abwehr der imperialistischen Aggression haben kann. Einige dieser Kriege können abgewendet und einige können mit einer Niederlage der Aggressoren beendet werden.

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Über den Autor

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

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"Kolonialexpeditionen", UZ vom 24. August 2018



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