Zu Heizung, Brot und Frieden im Herbst 2023

Krieg nach Innen

Am Ende des Monats bombardierte das Statistische Bundesamt die Öffentlichkeit mit etlichen Zahlen zur Wirtschaftslage in Deutschland. Das Wirtschaftswachstum dümpelt um die Null herum. Es kann sich seit 2018 nicht wirklich entscheiden, in die Rezession zu verfallen.

Die im Wirtschaftskrieg nach Innen eingebetteten Journalisten konnten dem verschreckten Michel aber eine Mut machende Zahl liefern: Die Inflationsrate ist mit 3,8 Prozent so niedrig wie schon lange nicht mehr. Die vom allmächtigen Markt gemachte Preissteigerung scheint sich damit endlich auf wundersame Weise zu normalisieren. Die fünf Lebensmittelkonzerne erhöhten ihre Preise allerdings um 6,1 Prozent gegenüber dem Oktober vergangenen Jahres. Hinter den Zahlen geht die soziale Realität verloren. Konkret bedeutet dass, wer im September 2021 für den Wocheneinkauf 100 Euro ausgab, zahlte letzten Monat 126,38 Euro – oder hatte entsprechend weniger im Einkaufswagen. Auch die Energiekosten sind weiterhin hoch.

Dass die Menschen immer weniger im Geldbeutel haben, machen zwei andere Zahlen deutlich. Die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel fielen seit Anfang 2022 um über 8 Prozent. Noch deutlicher zurück gingen die Umsätze im übrigen Einzelhandel – inklusive Onlinehandel.

Während im vergangenen Jahr die Herrschenden auf Einbindung der Gewerkschaften durch „Inflationsausgleichsprämie“ und Gaspreisbremse setzten, gehen sie aktuell zum Frontalangriff über. Bekannt schäbig läuft der Angriff gegen Geflüchtete und Arme. Letztere werden von den Hasspredigern der Medien angegriffen – allen voran die „Bildzeitung“. Es gäbe viel zu viel Bürgergeld, weshalb Menschen ihre Jobs kündigen würden. Konkret belegt wird kein Fall, aber Hauptsache, die Emotionen werden angeheizt. Das Gleiche gilt für die von „Bild“ initiierte Kampagne zu Sozialbetrugsfällen. Susan Bonath rechnete auf „RT.de“ vor, dass die Zahlen erstunken und erlogen sind. Erst recht wenn sie ins Verhältnis gesetzt werden: „100 Millionen Euro pro Jahr Verlust durch Sozialleistungsbetrug mittels verschwiegenen Einkommens. Dem gegenüber steht allerdings eine ungleich höhere Zahl: 125 Milliarden Euro“, so Bonath. So hoch ist der jährliche Verlust durch Steuerbetrug.

Finanzminister Lindner und seine FDP-Spezialeinheiten haben sich auf Flüchtlinge eingeschossen. Die Leistungen seien zu hoch und wirkten wie ein „Migrationsmagnet“. Deshalb solle es kein Bargeld mehr geben, sondern nur noch Sachleistungen. Deutsche Innen- und Außenpolitiker liefern sich ein Wettrennen der Unmenschlichkeit.

Dabei bedingt die Kriegsfähigkeit nach außen den Krieg gegen das eigene Volk. Wer aufrüsten und kriegsfähig sein will, kann sich anderes nicht mehr leisten. Das gilt für Infrastruktur, Kultur, Sport, Bildung, Gesundheit und Sozialversicherungen. Das erneute Sturmreifschießen der Reste der sozialen Sicherungssysteme zielt dabei auf die Arbeitsbedingungen der Mehrheit. Die Einführung der Hartz-Gesetze, die der faktischen Abschaffung des Asylrechts folgten, stellten einen Angriff auf das „Normalarbeitsverhältnis“ und die Tarifautonomie dar. Die Reallohnverluste der letzten Jahre waren die Folge.

Wer sich auf die Migrationsdebatte einlässt, macht vergessen, dass die Menschen wegen der Kriege des Westens flüchten. Wer sich den Angriffen auf die Ärmsten nicht entgegenstellt, ignoriert, dass wir damit alle gemeint sind. Die einzige Alternative heißt, die Menschen für Heizung, Brot und Frieden gegen die Ampel zu mobilisieren.

  • Aktuelle Beiträge
Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Krieg nach Innen", UZ vom 3. November 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit