Protesttag gegen Krankenhausschließungen

Lauterbachs Kahlschlag

Nora Hachenburg

Am Montagabend stellte Sylvia Bühler in ihrer Bewerbungsrede auf dem ver.di-Bundeskongress die Einführung einer gesetzlichen Personalbemessung für Pflegepersonal in Krankenhäusern als größten Erfolg dar. Bühler ist im ver.di-Bundesvorstand für den Gesundheitsbereich zuständig und stellte sich zur Wiederwahl. Dass es möglich war, so weit zu kommen und an dieser Personalregelung mitzuarbeiten, sei auch Folge der zum Teil wochenlangen Streiks in den Krankenhäusern, schätzte sie ein.

Aktuell stehen Kämpfe gegen die bundesweit geplanten Schließungen von Kliniken an. Hier fehlte es an konkreten Vorschlägen, wie das Kahlschlagprogramm von Gesundheitsminister Lauterbach zu verhindern sei. Es blieb unter dem Applaus der rund 1.000 Delegierten bei der allgemeinen Aussage, dass der Markt es nicht richten werde und ein Vorbehalt des Finanzministers unanständig sei.

Seit Lauterbach seine „Krankenhausrevolution“ angekündigt hat ist viel passiert. Die eigens zur Vorbereitung der gewollten Klinikschließungen eingesetzte „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ gab mit ihrer ursprünglichen Empfehlung den gesundheitspolitisch Verantwortlichen die Möglichkeit, so zu tun, als werde der Markt in den Krankenhäusern eingeschränkt und die Versorgung mehr am Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet. Die Vorschläge der Kommission erwiesen sich im Detail aber als massiver Eingriff in die bedarfsgerechte Planung der Länder vor Ort. Dazu müssen sie als Gesamtpaket zur Stabilisierung des Fallpauschalensystems gelesen werden, das die „Vermarktung“ der Gesundheit vertieft, damit bei den Konzernen weiter die Gewinne sprudeln.

Nachdem es von den Bundesländern – die für die Krankenhausplanung zuständig sind – Widerstand gab, wurde am 10. Juli eine Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt. Diese macht den Weg frei für eine „abgeschwächte“ Form der von der Kommission vorgelegten Vorschläge. Eine Verbesserung der Krankenhausversorgung ist nicht in Sicht. Das Ziel der Marktbereinigung ist geblieben. Betoniert werden auch die finanziellen Fehlanreize in der Krankenversorgung.

Bundesweit sind Kliniken aufgrund der unzureichenden Investitionspolitik der Bundesländer und durch gestiegene Energie- und Materialkosten insolvenzgefährdet. Es droht, dass ungesteuert Krankenhäuser schließen. Diese Gefahr sehen mittlerweile auch die Arbeitgeberverbände. Gerald Gaß, Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), stellt die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser als dramatisch dar. Er berichtet, dass die Zahl der Krankenhausinsolvenzen in 2023 bereits fünf mal so hoch liege wie im gesamten Jahr 2022.

Vor diesem Hintergrund hatte die DKG für den 20. September zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen. Auch die Gewerkschaft ver.di mobilisierte zu den Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin, Saarbrücken, Mainz, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf und Hannover. Dieser Protest ist so notwendig wie zwiespältig: Auf der einen Seite gilt es, jede Insolvenz von Krankenhäusern zu verhindern und der gewollten Schließungspolitik Widerstand entgegenzubringen. Auf der anderen Seite sind die Krankenhausarbeitgeber, allen voran die privaten Konzerne, keine Bündnispartner, weil ihre Forderung sich reduzieren lässt auf: „Gebt uns mehr Geld, was wir dann damit machen, wissen wir aber am besten, da redet uns nicht rein.“

Die Bundesregierung wird ihrem Plan treu bleiben, Krankenhäuser zu schließen und Geld frei zu machen für Militär und Monopole. Es wird Aufgabe von ver.di sein, den Widerstand gegen die Schließungen auch mit betrieblichen und tariflichen Kämpfen zu verbinden. Gleichzeitig wird deutlich, warum es wichtig ist, dass die Gewerkschaft an ihren friedenspolitischen Grundsätzen festhält: Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Pflege oder Panzer.

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"Lauterbachs Kahlschlag", UZ vom 22. September 2023



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