Andrew Jassy wechselt von AWS zu Amazon

Monopolist mit neuem Chef

Amazon bekommt einen neuen Chef. Jeff Bezos, Gründer von Amazon und je nach Kursschwankungen mal als reichster, mal als zweitreichster Mensch der Welt tituliert, übergibt den Chefposten an Andrew R. Jassy, der bisher „Amazon Web Services“ (AWS) leitete. Der Wechsel an der Konzernspitze ist für das 3. Quartal 2021 vorgesehen. „Ein optimaler Zeitpunkt für diesen Übergang“, meint Bezos – schließlich sei Amazon in seiner erfindungsreichsten Phase.

In einer E-Mail an die Amazon-Beschäftigten schrieb Bezos: „Millionen von Kunden verlassen sich auf unsere Dienstleistungen, und mehr als eine Million Mitarbeiter sind auf uns angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“ CEO von Amazon zu sein sei anstrengend, es sei schwer, sich dabei noch um andere Dinge zu kümmern. Der Milliardär will aber weiter in der Konzernspitze tätig sein und sich darüber hinaus dem „Day 1 Fund“ (seiner Stiftung), dem „Bezos Earth Fund“ (noch einer Stiftung), „Blue Origin“ (seinem Raumfahrtunternehmen), der „Washington Post“ (seiner Tageszeitung) und anderen „Leidenschaften“ widmen. Er sei „super“ begeistert von dem Gedanken daran, welchen Einfluss diese Organisationen haben könnten.
Wer ist der neue Amazon-Chef? Andrew R. Jassy ist seit 1997 bei Amazon und seit der Gründung von AWS verantwortlich für die ständige Ausweitung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur, die der Onlinehändler benötigt. AWS bietet seine Dienste aber auch anderen an. Zu den Kunden gehören Unternehmen wie Dropbox (Cloudspeicher), Konkurrenten wie Netflix (Streaming, Online-Videothek) oder auch die CIA. Der US-Geheimdienst vergab einen 600 Millionen US-Dollar schweren Auftrag an AWS, um Daten in einer Cloud speichern und verwalten zu können. Ein hochsensibler Auftrag, der zum ersten Mal an einen „außenstehenden“, kommerziellen Anbieter vergeben wurde. AWS sieht das als gute Werbung, weil es belege, dass AWS die hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen könne. „Cloud Computing in Missionsgeschwindigkeit“, schreiben sie auf ihrer Website stolz.

Der CIA-Auftrag war hart umkämpft, stellt aber nur einen kleinen Anteil am Umsatz von AWS dar. 2020 ist das Geschäft der sogenannten Cloud-Dienste, zu denen AWS gehört, auf 39,9 Milliarden US-Dollar gewachsen, meldete das Online-Magazin „t3n“. AWS ist Spitzenreiter mit einem Anteil von 32 Prozent, vor den Konkurrenten Microsoft Azure, Google Cloud und Alibaba Cloud. Diese vier Anbieter dominieren den Markt und liefern die notwendige Infrastruktur für den Onlinehandel, für Streaming-Dienste wie Spotify oder Netflix, für Lieferdienste, Online-Buchungsportale wie Airbnb und vieles mehr.

Traditionelle Unternehmen leisten sich in der Regel noch eigene IT-Infrastrukturen. Doch auch hier dürfte es – beschleunigt durch die mit der Corona-Pandemie verbundenen Herausforderungen – drastische Veränderungen geben. Ein Beispiel ist der Autohersteller BMW, der Anfang des Jahres bekannt gab, mit einer Reihe von zentralen IT-Systemen und Datenbanken zu AWS umziehen zu wollen. Das betrifft unter anderem den Vertrieb, die Produktion und die Wartung. BMW und AWS haben vereinbart, gemeinsam 5.000 Software-Entwickler in AWS-Technologien schulen zu wollen. Ziel sind „Cloud-basierte Software-Lösungen für bessere Unternehmensprozesse“, wie das Online-Magazin „Storage Insider“ schreibt.

Als Amazon noch Verluste machte, verdiente AWS unter Andrew R. Jassy bereits Milliarden. Bei AWS wurde also nicht nur die notwendige IT-Infrastruktur für die Ausweitung des Onlinehandels geschaffen, sondern Amazons Expansion mitfinanziert. Mehr noch, AWS ist Monopolist in einem Marktsegment, dass für viele andere Unternehmen – darunter auch Konkurrenten von Amazon – lebenswichtig ist. AWS gilt als günstiger und zuverlässiger Anbieter, der in der Vergangenheit sogar Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung gestellt hat, wo andere Geld verlangen. Doch wer wissen will, was passiert, wenn Bezos und Jassy zu der Einschätzung gelangen, dass Geschäftspartner von ihnen abhängig geworden sind, sollte Verlage und Autoren fragen. Dann werden nämlich die Geschäftsbedingungen „angepasst“.


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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Monopolist mit neuem Chef", UZ vom 12. Februar 2021



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