Neuer Betrug in Vorbereitung

Joachim Schubert zur Rentenreform

Die klassische Betriebsrente ist besser als ihr Ruf: Über 50 Prozent der Beschäftigten haben sie, insbesondere die in Großbetrieben und -verwaltungen. Sie ist in guten Zeiten von den Belegschaften erkämpft oder von Unternehmern als Lockmittel zur Personalanwerbung und –bindung eingeführt und in Betriebsvereinbarungen verankert worden. In die Betriebsrentenkasse zahlt der Unternehmer ein, in manchen Fällen auch der Beschäftigte über Entgeltumwandlung. Sie wird nicht mit Tariferhöhungen verrechnet. Es gibt vom Unternehmen eine monatliche Rentenzusage oder eine Mindestverzinsung. Meistens ist die Betriebsrente auch gegen Insolvenz gesichert. Eine solche Betriebsrente wäre für alle wünschenswert.

Was die Minister Nahles und Schäuble jetzt vorhaben, ist völlig anders. Bei einem „Spitzengespräch“ der beiden am 27. September mit Vertretern der großen Gewerkschaften und Unternehmerverbände wurde ein neues, tarifvertragsfähiges Betriebsrentenmodell vorgestellt, das sich von der klassischen Betriebsrente in folgenden Punkten deutlich unterscheidet: Unternehmer zahlen einen tarifvertraglich vereinbarten Betrag monatlich in einen privaten Rentenfond ein. Der Beschäftigte leistet seinen Teil über eine Entgeltumwandlung. Dazu kämen staatliche Förderbeträge für Geringverdiener. Tariflich vereinbarte Unternehmerzahlungen laufen jedoch Gefahr, mit tariflichen Entgelterhöhungen verrechnet zu werden.

Es gibt keine Rentenzusage oder Mindestverzinsung mehr; d. h., die Unternehmer sind aus der Haftung raus. Wenn der Rentenfond bei einer Bankenkrisen pleite geht, wäre das angesparte Geld weg. Bei der sogenannten Riesterrente bekommt man zumindest noch das zurück, was man eingezahlt hat.

Der größte Teil der Ansparung soll über steuerfreie Entgeltumwandlung laufen. Da spart der Beschäftigte zunächst Steuern und Sozialabgaben, muss aber dann in der Rente für alles Steuern und Sozialabgaben zahlen; d. h. auch für den Unternehmeranteil. Liegt der Beschäftigte unterhalb der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze, sinken durch Entgeltumwandlung die Ansprüche auf die gesetzliche Rente.

Somit wird die neue Betriebsrente schlechter als die klassische sein. Warum sollten Unternehmer dann noch die klassische weiterführen? Somit geht sie zu Lasten der gesetzlichen Rente.

Es wäre also besser, auf diese neue Betriebsrentenform ganz zu verzichten. Die Gewerkschaften wären gut beraten, die „Betriebsrentenform“ öffentlich abzulehnen und sich auf die Stabilisierung und Ausbau des gesetzlichen Rentenniveaus zu konzentrieren.

Offensichtlich will Frau Nahles Ende November das Betriebsrentenreformpaket vorlegen und es noch vor der Bundestagswahl verabschieden lassen. Deshalb sollten die Gewerkschaften mit Aktionen nicht bis zum heißen Bundestagswahlkampf warten, sondern zügig ihre Mitglieder und befreundete Organisationen (z. B. VdK) mobilisieren, um den geplanten Rentenbetrug zu verhindern.

Kanzlerin Merkel wünscht sich aber, dass die angekündigte gewerkschaftliche Rentenkampagne eingestellt wird, weil sie angeblich nur der AfD nütze. Richtig ist aber genau das Gegenteil, weil das Thema Rente nicht der AfD überlassen werden darf. Erst recht, wenn eine SPD-Ministerin den dritten Rentenbetrug vorbereit, müssen Gewerkschaften sich quer stellen. Ansonsten finden sie sich im selben Abwärtsstrudel wie die SPD wieder.

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"Neuer Betrug in Vorbereitung", UZ vom 25. November 2016



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