Daimler Rastatt setzt Leiharbeiter vor die Tür

„Raus mit euch!“ und „Bis bald“?

Im Handstreich setzt die Firmenleitung eines der großen Daimler-Werke 607 Leiharbeiter vor die Tür. Letzte Woche erhielten 607 Leiharbeiter im Daimler-Werk Rastatt in Baden-Württemberg eine E-Mail, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass sie in 14 Tagen keinen Job mehr haben werden. Die Lokalpresse in Rastatt zitiert aus der E-Mail der Leiharbeitsfirma „DEKRA Arbeit“ an die Betroffenen: „Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Einsatz im Werk Rastatt der Mercedes-Benz AG zum 30.9.2021 beendet wurde.“

Der Hintergrund: Gesetzlich ist Daimler verpflichtet, die Leiharbeiter nach einer gewissen Beschäftigungsfrist in die Stammbelegschaft zu übernehmen. Dies wäre bei 398 Beschäftigten nächstes Jahr der Fall gewesen. Das „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ sieht allerdings vor, dass die Unternehmer „geliehene“ Arbeiterinnen und Arbeiter beliebig entlassen und nach einer Schamfrist wieder einstellen können. Die Frist für die „Haltezeit“ beginnt dann wieder bei Null.

Der Betriebsrat des Werks Rastatt wurde offensichtlich übergangen und ausgetrickst. Formal hat er bei der Einstellung und Entlassung von Leiharbeitern kein echtes Mitbestimmungsrecht. Der Rausschmiss wird als „Abmeldung der Arbeiterinnen und Arbeiter“ durch den Entsendebetrieb DEKRA bezeichnet. Laut stellvertretendem Betriebsratsvorsitzenden Torsten Höink hat die Werksleitung die Abmeldung ohne ausreichende Rücksprache mit dem Betriebsrat durchgeführt. „Die Rechte der Kollegen würden mit Füßen getreten. Der Schritt sei für viele Familien ein Schicksalsschlag.“

Dass es Daimler um die Vermeidung der gesetzlichen Vorschriften zur Übernahme geht, zeigt der zweite Teil der Mail von DEKRA an die Beschäftigten: „In diesem Zusammenhang sichert die Mercedes-Benz AG bereits heute zu, dass im ersten Quartal 2022 am Standort Rastatt wieder 300 Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden.“

Anna Große-Schulte, Betriebsrätin und Verantwortliche für die gewerkschaftlichen Vertrauensleute der IG Metall im Betrieb bei Mercedes-Benz Rastatt, sagte, die Geschäftsleitung versuche gezielt, die Verpflichtung zur Übernahme der Leiharbeiterinnen und -arbeiter zu umgehen, „und das nicht zum ersten Mal“, wie sie betonte. Der jetzige Rausschmiss erfolge unter „fadenscheinigen Begründungen“, gegen bestehende Vereinbarungen und habe weitreichenden Folgen für die Rastatter Belegschaft. „Es reicht! Rote Karte für die Geschäftsleitung“, sagte Große-Schulte. Bodo Seiler, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Gaggenau, sieht dies genauso: „Wie hier seitens der Werkleitung mit Menschen umgegangen wird, die seit Jahren ihr Bestes geben und ebenso zum Unternehmenserfolg beitragen, ist einfach nur schäbig.“ Und Roland Zitzelsberger, Vorsitzender der IG Metall Baden-Württemberg, sprach von einem „Skandal“, wenn 600 Leute auf die Straße gesetzt würden, „obwohl schon sichtbar ist, dass sie im kommenden Jahr gebraucht werden“.


Stellungnahme der DKP Karlsruhe:
„Die DKP Karlsruhe sendet ihre solidarischen Grüße an die Kolleginnen und Kollegen, die durch den in konzertierter Aktion von Daimler Rastatt und der Leiharbeiter-Fima Dekra vorgenommenen Rauswurf der über 607 Kolleginnen und Kollegen Ende September auf die Straßen fliegen.
Einmal mehr zeigt sich das wahre Gesicht der kapitalistischen Unternehmen, in denen die Rechte der Beschäftigen mit Füßen getreten werden, wenn es um die Profite der Konzerne geht. Wir sind empört über die menschenverachtende Profitgier zu Lasten des schwächsten Gliedes unter den Daimler-ArbeiterInnen und fordern Daimler und Dekra auf, umgehend die Maßnahme dieses Menschenschachers zurückzunehmen.
Wir rufen die Daimler-Beschäftigten dazu auf, Daimler und Dekra diesen Zynismus nicht durchgehen zu lassen, denn schlussendlich sind alle KollegInnen betroffen. Solidarität ist unsere Kraft!“


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"„Raus mit euch!“ und „Bis bald“?", UZ vom 1. Oktober 2021



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