Der Westen erwägt, Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden. Moskau warnt vor weiterer NATO-Osterweiterung

„Schärfste Waffe“ gezückt

Am Dienstag sollte nach UZ-Redaktionsschluss ein Videogipfel zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem US-Amtskollegen Joseph Biden stattfinden. Das Gespräch wurde durch ein Treffen der Außenminister beider Länder, Antony Blinken und Sergej Lawrow, am 1. Dezember in Stockholm vorbereitet. Begleitet wurden beide Begegnungen von Washington mit täglich neuen Drohungen, Lügen und Verleumdungen gegen Russland und China. Vorläufiger Höhepunkt war am Montag die Ankündigung, dass die USA die Olympischen Winterspiele in Peking im Februar 2022 politisch boykottieren werden. China reagierte mit Kritik und erklärte zugleich, bislang seien keine Politiker eingeladen worden.

Um was es jenseits solcher Propagandaknallfrösche, die seit Wochen bei deutschen Großmedien und den Grünen Begeisterung auslösen, in Bezug auf Russland praktisch geht, berichteten am Montag der US-Sender „CNN“ und das „ZDF“. Dessen Korrespondent Florian Neuhann erklärte in einem Beitrag: „Vor der Sorge einer russischen Invasion der Ukraine steht die Drohung im Raum, Russland vom Zahlungsverkehr abzuschneiden.“ Die „vielleicht schärfste Waffe des Westens gegen Russland“ sei das bei Brüssel stationierte Zahlungssystem SWIFT. Diplomaten bezeichneten es als „nukleare Option“, Russland davon auszuschließen. Der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer erklärte: „Das muss auf dem Tisch liegen.“

Das ist offensichtlich bereits der Fall, wie Blinken mehrfach angedeutet hat. Die Folgen für die Weltwirtschaft seien allerdings unüberschaubar, berichtete der Wirtschaftsnachrichtendienst „Bloomberg“ am Dienstag. Daher werde erwogen, zunächst „Umtauschsperren für den russischen Rubel auf dem internationalen Schuldenmarkt“ aufzuerlegen und damit das Geschäft russischer Banken zu stören.

Die USA hätten aber die Verbündeten, so das „ZDF“, von einer angeblich bevorstehenden russischen Invasion „überzeugt“, jetzt gehe es um die Öffentlichkeit. Im Interview mit Neuhann thematisierte die neue US-Botschafterin bei der NATO, Julianne Smith, insbesondere, Russland habe keine Recht, etwas zu einer NATO-Osterweiterung zu sagen. Der ZDF-Journalist baute in seinen Beitrag anschließend immerhin eine Aussage des damaligen BRD-Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) vom 2. Februar 1990 ein, in der es heißt: „Nicht beabsichtigt ist, die NATO nach Osten auszudehnen.“ Neuhann fügte hinzu, Russland fühle sich in dieser Hinsicht vom Westen betrogen, und zitierte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow, bei dem Gespräch mit Biden werde es unter anderem um Garantien des Westens, die Osterweiterung der NATO zu stoppen, gehen.

Auch in den Hauptstädten der europäischen US-Verbündeten wird die Lage offenbar als extrem gefährlich beurteilt. Jedenfalls fand zwei Tage vor der Neuwahl des deutschen Bundeskanzlers noch am Montagabend ein Telefongespräch der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, der USA, Italiens und Großbritanniens statt, in dem sie sich für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im „Normandie-Format“ aussprachen. Laut einer Pressemitteilung des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert vom Dienstag äußerten die Teilnehmer zwar „ihre Sorge um russische Truppenbewegungen im Grenzgebiet zur Ukraine“, hätten aber „in diesem Zusammenhang ihre volle Unterstützung für die Bemühungen Frankreichs und Deutschlands im Rahmen des Normandie-Formats“ ausgesprochen. Ob sich hinter dieser Floskel Unterschiede in der Lageeinschätzung verbergen oder ob es um eine weitere Täuschung Moskaus geht, ist offen. Die antirussische Armada des Westens hält jedenfalls mit „Volle Kraft voraus“ nicht nur bewaffnet, sondern auch wirtschaftlich ihren Kurs gegen Russland bei. Das Ziel ist maximaler Schaden für Russland.

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"„Schärfste Waffe“ gezückt", UZ vom 10. Dezember 2021



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