Maaßen bekommt einen neuen Posten

Schmierentheater

Von Nina Hager

Ist der „Fall“ Maaßen – nach der Einigung der Koalitionsspitzen am Sonntag – jetzt tatsächlich abgeschlossen? Am Dienstag der vorigen Woche hatten die Vertreter von CDU, CSU und SPD auf Druck von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) noch beschlossen Maaßen zwar als VS-Chef abzulösen und ihn aber zugleich zum Staatssekretär zu befördern. Dafür sollte Gunther Adler (SPD) gehen. Das stieß auf völliges Unverständnis, ja deutliche Ablehnung bei vielen Wählerinnen und Wählern sowie bei den Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linkspartei. Die Empörung wuchs auch in der SPD. Nicht zuletzt über das erneute Einknicken der Parteivorsitzenden Andrea Nahles.

Hans-Georg Maaßen, ein Zahnrad im Machtapparat

Hans-Georg Maaßen, ein Zahnrad im Machtapparat

( Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme / Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)

Am vergangenen Sonntag gab es dann keine Kehrtwende. Statt Maaßen zu entlassen, wie von vielen gefordert, einigten sich die Spitzen der Großen Koalition in Berlin auf einen Kompromiss. Zu tief sitzt wohl bei der SPD die Angst davor, dass die Koalition zerbricht, man die Beteiligung an der Regierung verliert und Neuwahlen nötig werden. Und zu wenig kann sich die Kanzlerin noch durchsetzen. Vor allem gegen Seehofer. Maaßen wird also doch nicht zum Staatssekretär ernannt, aber auch nicht entlassen. In Seehofers Ministerium wird er „Sonderberater“. FDP-Chef Christian Lindner bemerkte auf Twitter: „Es wird der Posten eines Frühstücksdirektors geschaffen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich am Montag vor der Presse selbstkritisch, gestand ein, in diesem Fall Fehler gemacht zu haben, bestätigte aber die aktuelle Entscheidung.

FDP, Grüne und Linkspartei blieben derweil bei ihrer scharfen Kritik. Anton Hofreither (Grüne) hatte den ganzen Vorgang schon vorher als „Schmierentheater“ bezeichnet. „Sollten die Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien ernsthaft glauben, mit der am Sonntagabend im Kanzleramt ausgehandelten Lösung einen Befreiungsschlag aus der Regierungskrise im Zusammenhang mit der Causa Maaßen zu schaffen, dann ist dieser gründlich missglückt“, erklärte André Hahn, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“. „Verfassungsschutzpräsident Maaßen hätte nach diversen Verfehlungen zwingend entlassen und in den (einstweiligen) Ruhestand versetzt werden müssen. Das wäre ein klares Zeichen gewesen, das Herr Seehofer nicht setzen wollte und für das die Bundeskanzlerin offenkundig nicht mehr die Macht hatte.“

„Merkel und Nahles sind offenbar begriffsstutzig. Dieses Postengeschacher versteht kein Mensch“, schrieb der Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger auf Twitter. „Es geht im Fall Maaßen nicht nur um die Gehaltserhöhung. Der Mann verbreitet aus höchster Position rechte Fake-News und sollte daher kein öffentliches hohes Amt mehr bekleiden.“ Am Montag wiederholte er auf einer Pressekonferenz die Forderung seiner Partei und anderer, dass Maaßen und Seehofer gehen müssen.

Und die SPD? Bei einem Treffen der engeren Führung am Sonntagabend in Berlin erhielt Nahles Unterstützung. SPD-Vize Ralf Stegner behauptete gegenüber den Medien, die unselige Personalfrage sei jetzt so gelöst worden, wie die SPD das eingefordert habe. „Jetzt muss der Koalitionsvertrag eins zu eins umgesetzt werden.“ Stegner nannte Seehofer einen „permanenten Störenfried“, die Bayernwahl werde aber wohl auch bezüglich seiner Person Klarheit bringen. Auch SPD-Linke im Bundestag waren erleichtert. Die Abgeordneten Matthias Miersch und Hilde Mattheis sprachen von einer akzeptablen Entscheidung. Maaßen sei ja nicht befördert worden, so Miersch am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Der Vorstand der SPD sowie die Bundestagsfraktion signalisierten Nahles gleichfalls ihr Einverständnis. Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender, meinte nach der Vorstandssitzung am Montag, Nahles habe lediglich einen „Super-Gau“ verhindert. Er rief seine Partei aber nur auf „Schmerzgrenzen“ und „rote Linien“ für die Zusammenarbeit mit CDU und CSU zu definieren.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Schmierentheater", UZ vom 28. September 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit