In Spanien wiedergewählt: Krise, Korruption, Kürzungen.

Spanischer Masochismus

Von Carmela Negrete

Die konservative Volkspartei (PP) um Mariano Rajoy gewann letzten Sonntag erneut die Wahlen. Diesmal gingen eine Millionen Wahlberechtigte weniger zur Urne als noch im Dezember 2015. Eine ähnliche Zahl an Stimmen fehlte dem linken Bündnis „Unidos Podemos“ im Vergleich zu den vorausgegangenen Umfragen. Diese hatten vorausgesagt, dass das Bündnis die zweitstärkste Kraft im Parlament werden würde. Diese Umfragen lagen falsch, denn am Wahlabend schenkten der PP sogar 500 000 Spanier mehr ihre Stimme als noch 2015. Recht behielten sie allerdings bei der sozialdemokratischen PSOE, die ihr schlechtestes Ergebnis seid Jahrzehnten einfuhr. Alles in allem erhielt die PP 137 Sitze im Abgeordnetenhaus, die PSOE 85, das Bündnis „Unidos Podemos“ 71 und die liberalen „Ciudadanos“ 32 der insgesamt 350 Sitze (hinzu kommen noch kleinere Regionalparteien). Für ein linkes Regierungsbündnis reicht es damit nicht – dafür wären 176 Sitze nötig. In „Unidos Podemos“ hatten sich die Vereinigte Linke, der auch die Kommunistische Partei Spaniens angehört, und die Partei „Podemos“ zusammengeschlossen.

Bei dieser so wichtigen Wahl scheinen die Spanier in politische Apathie verfallen zu sein: Mehr als 10 Millionen der 35 Millionen Wahlberechtigten haben nicht gewählt. Die zur Wahl gegangen sind haben mehrheitlich für die PP als kleineres Übel gestimmt – trotz der zahlreichen Korruptionsfälle, in die die Partei verwickelt ist. Im Prozess um den ehemaligen PP-Schatzmeister Luis Bárcenas wirft die Anklage Rajoy vor, dass er in seiner Zeit als Minister zusätzliche schwarze Gehälter bar im Briefumschlag ausgezahlt bekommen habe. Auch die Renovierung ihrer Parteizentrale hat die PP vermutlich aus Schwarzgeldern bezahlt – um eine Zwangsräumung zu verhindern, musste die Partei eine Million Euro als Kaution hinterlegen. Ein Minister der Regierung Rajoy musste nach der Veröffentlichung der Panama-Papers zurücktreten.

Warum wählen die Spanier eine Partei, die jede von EU, IWF und EZB geforderte Kürzung durchgesetzt hat? Die Medienkampagne gegen „Unidos Podemos“ spielte dabei offenbar eine Rolle. Die Medien brachten das Bündnis in Verbindung mit Venezuela, das Fernsehen zeigte Schlangen, Knappheit und Hunger dort. Sie schürten die Angst, dass es den Spaniern ähnlich schlecht gehen könnte wie – nach der Auffassung der dortigen rechten Opposition – den Venezolanern.

Rajoy behauptete im Wahlkampf, dass es Spanien heute besser gehe als zu Beginn der Krise. Zum Beispiel gebe es angeblich mehr Arbeit. Tatsächlich sind die Arbeitsplätze meist befristet, die Menschen arbeiten zu wesentlich schlechteren Bedingungen als noch vor 2008. Eine halbe Million junger Spanier haben das Land verlassen, um Arbeit zu suchen – sie tauchen nicht in der von Rajoy zitierten Statistik auf. Für sie war es schwierig zu wählen, die Stimmabgabe im Ausland ist langwierig und bürokratisch aufwändig.

Die Regierungsbildung hängt wahrscheinlich von einigen Abgeordneten kleiner Regionalparteien ab. Für eine Koalition von PP und „Ciudadanos“ allein reicht es nicht. Diese Koalition bräuchte noch die Unterstützung der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) und der Coalición Canaria, was als unwahrscheinlich gilt. Und selbst damit wären erst 175 von 176 nötigen Stimmen beisammen, die Koalition bräuchte also noch eine weitere Enthaltung. Auch im linken Lager – so dieses Lager denn überhaupt existiert – bräuchten PSOE und „Unidos Podemos“ die Stimmen kleinerer Parteien oder der „Ciudadanos“, auch das erscheint unwahrscheinlich.

Auf die PSOE wächst deshalb der Druck eine große Koalition mit der PP einzugehen. Einig ist die Partei darüber nicht. Der Präsident der PSOE der Extremadura, Guillermo Fernandez Vera, sagte, die PSOE solle „kein Hindernis“ für eine Regierungsbildung sein. Allerdings ließ die Partei am Tag nach der Wahl durch einen Sprecher verlauten, dass sie weder vorhabe, mit der PP zu koalieren noch ihr die Macht durch eine Enthaltung zu schenken. Allerdings glauben viele dem Spitzenkandidaten der PSOE, Pedro Sanchez, sowieso nicht. Er hat sich zwar gegen eine Koalition mit der PP ausgesprochen, war aber nach den letzten Wahlen nicht bereit, die einzige Alternative zu ermöglichen: Eine „Regierung des Wandels“ im Bündnis mit „Podemos“ und anderen linken Kräften. Es wäre nicht verwunderlich, wenn diese Wahl am Ende doch zu einer großen Koalition führt.

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"Spanischer Masochismus", UZ vom 1. Juli 2016



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