Befragungsergebnisse verdeutlichen massive Arbeitsverdichtung im Öffentlichen Dienst

Stresstest

Marie Schmidt

ver.di hat im Vorfeld der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes (ÖD) von Bund und Kommunen von Februar bis April eine große Befragung zu Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen online durchgeführt. Mehr als 250.000 Kolleginnen und Kollegen – quer durch alle Branchen des ÖD mit insgesamt 5,2 Millionen Beschäftigten bundesweit – haben sich daran beteiligt. Es ist damit die wohl umfassendste Studie zu diesem Thema.

Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden nicht Mitglied in der Gewerkschaft ist. ver.di hatte sich zum Ziel gesetzt, mit der Befragung auch über die eigene Mitgliedschaft hinaus Beschäftigte zu erreichen. Das ist gelungen. Ein überwiegender Anteil der Teilnehmenden gehört zu den Tarifbeschäftigten (86 Prozent). Die Beamtinnen und Beamten sind dagegen – gemessen daran, dass sie etwa ein Drittel der Beschäftigten ausmachen – deutlich unterrepräsentiert.

Für die Beschäftigten selbst sind die Ergebnisse der Studie sicher nicht überraschend. Sie haben Tag für Tag mit den Folgen des rasanten Personalabbaus und der jahrzehntelangen Unterfinanzierung der Öffentlichen Daseinsvorsorge zu kämpfen. Mit dem Sieg der Konterrevolution in der DDR gab es in der BRD keine Notwendigkeit mehr für nach Osten gerichtete „Schaufenster-Politik“.

Von 1991 bis 2020 wurde der Personalbestand im Öffentlichen Dienst um 30 Prozent reduziert. In Deutschland werden nur 7,9 Prozent des BIP für das Personal im ÖD aufgewendet, in Frankreich sind es 12,4 Prozent. Damit ist die BRD europäisches Schlusslicht – zusammen mit Irland. Das gleiche Bild zeigt sich beim Anteil der im Öffentlich Dienst Arbeitenden im Vergleich zu den Gesamtbeschäftigten: In der BRD sind dies 11 Prozent, im OECD-Durchschnitt 18 Prozent, in Norwegen und Schweden sogar um die 30 Prozent.

Die Studie steht völlig im Gegensatz zum Bild des selig im Büro vor sich hin träumenden Angestellten im Öffentlichen Dienst. 56 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich nicht vorstellen können, bis zum Erreichen der gesetzlichen Rente zu arbeiten. In Kitas und Krankenhäusern lagen die Zahlen sogar bei über 80 Prozent, bei den Busfahrern bei 69 Prozent. Zu knapp 60 Prozent kam diese Aussage nicht etwa von älteren Kolleginnen und Kollegen – wie man vielleicht hätte erwarten können –, sondern von der Altersgruppe der 19- bis 34-Jährigen.

Auch interessant: Knapp 40 Prozent derjenigen, die in Teilzeit arbeiten, gaben an, dass sie dies deshalb tun, weil sie eine Vollzeitstelle nicht mehr schaffen würden. So erklärt sich auch, dass der Teilzeitanteil weiter steigt. In offiziellen Statistiken wird gerne darauf hingewiesen, dass der Personalkörper seit 2009 wieder anwächst. Werden die Köpfe aber in Vollkräfte umgerechnet, so zeigt sich, dass diese von 4,4 Millionen im Jahr 2000 auf 4,3 Millionen in 2020 tatsächlich weiter gefallen sind.

So verwundert es nicht, dass die Arbeit in einem Maße verdichtet wird, dass sie einfach nur noch krank macht. Mit weniger Leuten müssen immer mehr Aufgaben erledigt werden. Den meisten Kolleginnen und Kollegen ist ihre Arbeit sehr wichtig – auch weil sie sie für gesellschaftlich sinnvoll halten. Oft wird versucht, das Arbeitspensum trotz Personalmangel zu schaffen. 42 Prozent der Kolleginnen und Kollegen verzichten dafür auf ihre Pausen, nur 14 Prozent geben an, darauf nie zu verzichten. Dramatisch ist, dass sich zwei Drittel der Beschäftigten oft oder sehr oft nach der Arbeit leer oder ausgebrannt fühlen. Nur etwa 5 Prozent der Befragten fühlen sich nach der Arbeit nie leer und ausgebrannt, sie können sich immer in ihrer Freizeit erholen und von der Arbeit abschalten.

Ab dem 11. Juni startet die Forderungsdiskussion für die Tarifrunde von Bund und Kommunen. Man darf gespannt sein, wie sich die Ergebnisse der Studie darin niederschlagen.

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"Stresstest", UZ vom 14. Juni 2024



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