TTIP – Gefahr für Demokratie nicht gebannt

Von Peter Köster

Der Kampf gegen CETA, TTIP und TISA hat nicht aufgehört. Eine neue Runde der Verhandlungen zwischen den USA und den EU-Institutionen ist im März eingeläutet worden. Nach der Großdemonstration in Berlin im Oktober 2015 stand die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Auch Enttäuschung darüber, dass sich nach dieser machtvollen Aktion keine sichtbaren Reaktionen der Regierenden abzeichneten. Eine Aktionskonferenz zum Ende Februar hat die neuen Entwicklungen analysiert und festgestellt: Die EU-Kommission hat eine neue Mogelpackung vorgelegt. Der sogenannte „Rat für regulatorische Zusammenarbeit“ der die Harmonisierung der Gesetzgebung zwischen USA und EU koordinieren sollte, taucht in der neuen EU-Verhandlungsposition nicht mehr auf. Offensichtlich reagierte hier die EU-Kommission auf die zunehmende Kritik.

Mehr als 40 zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Europa haben dazu folgende Position: „Mit dem Gremium entfallen jedoch keineswegs auch die Funktionen, die es ursprünglich ausüben sollte. Im Gegenteil. Diese bleiben allesamt erhalten. Die Kommission fordert weiterhin eine „Koordinierung“ der regulatorischen Zusammenarbeit – und auch die „frühestmögliche“ Einbeziehung von Lobbyisten in die Gesetzgebung … . Es handelt sich also um eine Mogelpackung.“

Die für diese „neue“ Koordination zuständigen Akteure werden erstmals explizit benannt: Es sollen die EU-Kommission und die US-Regulationsbehörden sein. Sie sollen künftig Gesetzesvorhaben gemeinsam darauf überprüfen, ob sie den transatlantischen Handel negativ beeinträchtigen (Artikel 2b und Artikel x5.1). Diese Koordinierung hat keine demokratische Legitimierung. Warum sollen US-Regulierungsbehörden bei den EU-Gesetzen und umgekehrt, die EU-Kommission in den USA mitsprechen?

 

Es bleibt dabei:

Das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP, wie auch CETA und TiSA richten sich massiv gegen die Interessen der Bevölkerung aller betroffenen Länder. Auf höchster Geheimhaltungsstufe sollen diese Mammut-Projekte auf EU-Ebene ausgehandelt werden. Neben der „Regulatorischen Kooperation“ stehen dabei im Mittelpunkt:

• Investitionsschutz

• Lebensmittelproduktion und Chemikalien

• Verbraucher- und Naturschutz, Arbeitnehmerrechte

• Finanzmarktregulierung und Datenschutzfragen

Jede Ebene des politisch-gesellschaftlichen Lebens ist dabei betroffen. Auch die Kommunen.

 

Sicht auf Kommune und Demokratie

Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung wird durch das schon verhandelte Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und die bisher bekannten Positionen zu TTIP verletzt. Gestaltungs- und Regulierungsfreiheiten der Kommunen können dadurch ohne Not und unumkehrbar eingeschränkt werden. Die Öffentliche Daseinsvorsorge wird den Lobbyisten der Multinationalen Konzerne ausgeliefert. Auswirkung auf die kommunale Demokratie wären: Re-Kommunalisierungsverbote (über Rachet- und Stillstandsklauseln*). Verbot von Beschränkungen beim Niederlassungsrecht. Klagemöglichkeit von Konzernen zum Beispiel gegen Kommunale Maßnahmen wie eine Mietbremse oder Vereinbarungen über Sozialchartas bei der Veräußerung städtischen Wohneigentums, usw.

Ausschreibungspflichten bei öffentlichen Projekten ab bestimmten Schwellenwerten werden EU-USA-weit gelten. Preishöhe, ökologische und soziale Kriterien wären Opfer und Schaden der regionalen Wirtschaft.

 

Neuer Vorstoß über die EU-Dienstleistungsrichtlinie

Parallel wurde im Oktober auf EU-Kommissionsebene ein erneuter Vorstoß zur Verschlechterung der EU-Dienstleistungsrichtlinie als Vorschlag vorgelegt. Scheinbar unabhängig von TTIP, CETA und TiSA wollen die Wirtschaftslobbyisten, innerhalb und außerhalb der EU-Kommission, dem sich durch die Freihandelsabkommen abzeichnenden wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, mit einer weiteren Herabsetzung der Standards der europäischen Arbeitnehmerrechte zu Gunsten der europäischen Unternehmen, eine bessere Ausgangslage ermöglichen. So soll über eine Hintertür das bisher verhinderte Herkunftslandprinzip doch noch Gültigkeit bekommen. Behörden der Herkunftsländer sollen einen sogenannten ‚Dienstleistungspass‘ ausstellen. Dieser Pass soll bescheinigen, dass ein Unternehmen alle nötigen Vorschriften erfüllt, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat gelten – das wäre ein Freifahrtschein für betrügerische Firmen. Denn faktisch werden Kontrollen zum Schutz der Beschäftigten mit dem Dienstleistungspass unmöglich gemacht. In der Folge ist zu erwarten, dass noch mehr Berufe, die in der BRD einen Meisterbrief erfordern, durch weniger oder schlechter Qualifizierte ausgeübt werden. Was wiederum bedeutet, das noch mehr Betriebe nicht ausbilden, weil ihnen die fachlichen Voraussetzungen fehlen.

Den Schaden haben bei allen Plänen und Abkommen die Arbeitnehmer und ihre Familien.

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* Eine Stillstandsklausel legt fest,

dass nach einer Einigung auf einen Status der Liberalisierung

dieser Status nicht wieder aufgehoben werden darf.

Eine Rachet-Klausel besagt, dass ein einmal privatisiertes Unternehmen

der öffentlichen Hand, etwa ein Wasserwerk, nicht wieder kommunalisiert werden kann.

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"TTIP – Gefahr für Demokratie nicht gebannt", UZ vom 1. April 2016



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