In Maintal sind Arbeitsplätze und Einkommen bedroht

Üble Pläne für Norma

In Maintal im Umfeld von Frankfurt/Main befindet sich die Firmenzentrale und der größte Produktionsstandort der Norma Group Germany. Gefertigt werden hier für die Automobilindustrie Metall- und Kunststoffprodukte, die der Befestigung von Schläuchen und Rohren dienen. Ein kleinerer Standort liegt im thüringischen Gerbershausen. Die Geschäftsleitung setzt nun die Belegschaft unter Druck. Darüber sprachen wir mit Klaus Ditzel.

UZ: Vor welcher Bedrohung stehen Belegschaft, Betriebsrat und die IG Metall? Was hat die Geschäftsleitung angekündigt?

290302 Porträt Klaus Ditzel - Üble Pläne für Norma - Arbeitskämpfe, Lebensmittelindustrie - Wirtschaft & Soziales
Klaus Ditzel ist Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Hanau/Fulda

Klaus Ditzel: Die Norma Group Germany besteht aus zwei Standorten, aus Gerbershausen in Thüringen und dem Standort in Maintal. Die Geschäftsleitung hat angekündigt, dass der Standort in Thüringen komplett geschlossen werden soll. Dort sind 160 Kolleginnen und Kollegen von Arbeitslosigkeit bedroht. Gerbershausen ist ein strukturschwaches Gebiet in Thüringen und da werden die Betroffenen ganz schwer in der Umgebung einen neuen Arbeitsplatz finden. Wir in Maintal sind auch von Arbeitsplatzabbau bedroht. Gefährdet sind 160 Stellen im ersten Schritt und dann möglicherweise noch einmal weitere 60. Und wenn das passiert, glauben wir, hätte das einen Dominoeffekt. Weitere Abteilungen könnten dann fallen, wenn ein Teil der Produktion nach Tschechien verlagert wird. Wir glauben, letztendlich ist es ein Angriff auf den gesamten Standort in Maintal.

UZ: Welchen Hintergrund hat dieser angedrohte Stellenabbau?

Klaus Ditzel: Es geht um Einsparung von Kosten, und zwar konkret von Lohnkosten. Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass in Tschechien nur ein Fünftel des Lohnes wie in Deutschland bezahlt wird, das wird uns als Begründung dargelegt. Außerdem kommt natürlich hinzu, dass wir die niedrigeren Arbeitszeiten haben. Wir haben die 35-Stunden-Woche, sind tarifgebunden, in Tschechien hingegen beträgt die Wochenarbeitszeit 40 Stunden. Wir seien zu unflexibel – obwohl wir fast jedes Schichtmodell in Maintal arbeiten, das du dir vorstellen kannst, inklusive Samstags- und Sonntagsarbeit.

UZ: Schreibt der Betrieb denn noch rote Zahlen? Ist er denn gezwungen?

Klaus Ditzel: Nein. Wir sind ja ein börsennotiertes Unternehmen. Natürlich sind aktuell durch Corona alle Zahlen schlechter. Aber vor Corona haben wir fast noch einen zweistelligen Epidar (Gewinn vor Steuer) gehabt.

UZ: Welche Alternativen sieht denn der Betriebsrat gegen diesen Stellenabbau? Was stellt ihr als Modell dagegen?

Klaus Ditzel: Wir sagen, wir haben hier das Know-how. Wir haben die Kenntnisse im Umgang mit den Maschinen. Das sind alles eigengebaute Maschinen, die in Maintal hergestellt wurden, die nach Tschechien verlagert werden sollen. Wir meinen, dass diese Anlernphase, die bisher jeder gebraucht hat, für Tschechien einfach das Werk überfordert. Ich möchte nicht arrogant wirken, aber wenn diese Produktion nach Tschechien geht, haben wir nicht die Zeit, um die Tschechen so lange anzulernen, bis sie das gleiche Know-how haben, das wir uns in 30 Jahren hier in Maintal erarbeitet haben.

Das Zweite ist: Man müsste eigentlich in die Modernisierung setzen, also in die Maschinen und in die Weiterqualifizierung der Menschen investieren, damit der Transformationsprozess in die digitale Welt gelingt. Wir reden ja alle von der Elektromobilität, aber wir sind Automobilzulieferer und hängen eigentlich bisher nur am Verbrenner. Wir müssten eigentlich mehr auf die Entwicklung setzen, dass wir auch in der Elektromobilität beziehungsweise beim Thema Wasserstoff bestehen können.

UZ: Das Ganze hat ja so ein bisschen auch einen erpresserischen Aspekt. Ich habe zumindest gehört, dass es ja Angebote gibt: Wenn die Kollegen auf Gehalt verzichten, würden die Arbeitsplätze von Thüringen nach Maintal verlegt.

Klaus Ditzel: Im Grunde genommen ist es so. In Gerbershausen haben die eine Produktgruppe, das ist die Torro 12, so nennen die das. In Maintal läuft die gleiche Produktgruppe, das ist die Torro 9. Die Torro 12 wird eher im Lkw-, Bus- und im SUV-Bereich eingesetzt, während die Torro 9 für die normalen Pkws ist. Und jetzt sagt die Geschäftsleitung: Na ja, liebe Maintaler, wenn ihr mal schön ruhig seid jetzt und uns ein Kostensparmodell vorstellt, flexibler seid, auch die Arbeitszeit erhöht und vielleicht auch ein bisschen auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld verzichten könnt, dann könnten wir uns vorstellen, die Torro 12 nicht nach Tschechien zu verlagern, sondern das käme nach Maintal. Also sprich: Wir sollen denen ein Modell entwerfen, dass wir in Maintal diese Torro-12-Produktion bekommen. Es würde uns dann noch mal 20 Arbeitsplätze bringen. Die Geschäftsleitung macht auch gleich eine Rechnung auf und sagt, sie wollen jährlich vier Millionen sparen. Wenn du jetzt rechnest, wären wir nach der ersten Abbauperiode noch 300 Beschäftigte. Wenn du vier Millionen durch 300 teilst, kommen wir auf 13.000 Euro. Das heißt, jeder Beschäftigte soll auf 13.000 Euro im Durchschnitt verzichten. Das ist die einfache Rechnung.

UZ: Und wollen die Kollegen das schlucken? Wie ist die Stimmung im Betrieb?

Klaus Ditzel: Also die Stimmung war in so einer depressiven Phase. Wir haben aber gestern eine Mitarbeiterrunde gemacht. Wegen Corona können wir ja keine Betriebsversammlung machen, weil wir den Raum dazu nicht kriegen. Aber wir sind mit einem Betriebsratsinfo seit morgens um sechs bis nachts um eins durch die Büros und die Hallen getingelt, haben die Leute informiert und auch eingeschworen. Es gab nicht einen, der an ein Angebot der Gegenseite glaubt. Das Vertrauen ist total weg. Die Kolleginnen und Kollegen glauben, dass es nur eine Hinhaltetaktik ist, niemand will auf irgendwas verzichten. Häufig hört man dabei das Argument: Verzicht hat noch nie einen Arbeitsplatz gehalten. Und deswegen werden wir nicht auf dieses Angebot eingehen können. Und vielleicht ein letztes Wort zur Stimmung: Nachdem wir gestern so eine Informationsrunde gemeinsam mit der Gewerkschaft gemacht hatten, ist jetzt eine Kampfhaltung geboren worden. Also man merkt, die Leute kennen nun die Pläne des Arbeitgebers, aber sie wollen das nicht mitmachen und dagegen vorgehen.

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"Üble Pläne für Norma", UZ vom 17. Juli 2020



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