Zu Lauterbachs Krankenhausreform

Verzögern und vernebeln

Fast wie aus dem Lehrbuch schafft es Bundesgesundheitsminister Lauterbach, seine angekündigte große Krankenhausreform durchzudrücken. Von der ursprünglich angekündigten „Revolution“ spricht er nicht mehr. Er scheint gemerkt zu haben, dass dieser Etikettenschwindel aufgeflogen ist. Aber er hält daran fest, dass seine Reform eine „grundlegende Entökonomisierung der Krankenhausversorgung“ und die „Überwindung des Fallpauschalensystems“ bedeute.

Die Kritik, die von den Krankenhausarbeitgebern, der Gewerkschaft ver.di und nahezu allen Fachleuten einhellig auf ihn einprasselte, als der Referentenentwurf zum Kranken­hausversor­gungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgelegt wurde, ließ ihn genauso kalt wie die lokalen Proteste dort, wo Krankenhäuser gerade Pleite gehen. Die Stellungnahmen und Proteste, die seit seiner vollmundigen Ankündigung am 6. Dezember 2022 (!) die Gesetzgebung immer wieder verzögerten, haben einen Effekt, der ihm und der Kapitalseite sehr zupass kommt. Jede erneute Verzögerung führt zu weiteren insolventen Krankenhäusern. Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen, bringt es mit brutaler Klarheit auf den Punkt: „Jeder Monat, in dem nicht fünf bis zehn Krankenhäuser vom Netz gehen, ist ein verlorener Monat.“

Da verwundert es nicht, dass selbst die aktuelle Zeitlinie mit geplanter Befassung des Gesetzes im Bundestag Ende April nicht gehalten wird. Das neue Ziel dürfte es sein, in einem gesetzgeberischen Endspurt vor der Sommerpause die Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat zu bekommen. Irgendwann muss man ja – trotz der Einflüsterungen von Leber und anderer Marktradikaler – fertig werden. Damit sind mehrere Kapitel im erwähnten Lehrbuch zum Durchsetzen unliebsamer Vorhaben abgearbeitet: Verzögerungen über Monate und Jahre führen dazu, dass sich Aufregung abnutzt. Das scheibchenweise Schließen der Krankenhäuser erschwert gemeinsamen Protest. Und Komplexität hilft bei Gesetzgebung immer – außer den Fachleuten blickt keiner mehr durch.

Gut, dass wir auch Lehrbücher haben. Schon die Klassiker haben uns aufgeschrieben, mit was für Tricks der Staat und die Herrschenden arbeiten und dass es unsere Aufgabe ist, die Kämpfe zusammenzuführen. Gelesen haben wir sie. Jetzt müssen wir den Kampf auf die Straße und in die Betriebe bringen.

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"Verzögern und vernebeln", UZ vom 19. April 2024



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