Lateinamerikanische Staaten verweigern Schulterschluss mit Militaristen und fordern Reparationen für Sklaverei

Veto gegen Brüssel

In dieser Woche fand in Brüssel das dritte Gipfeltreffen der EU und der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft CELAC statt. Letztere wurde 2011 bei einem Gipfeltreffen in Venezuelas Hauptstadt Caracas offiziell gegründet und umfasst heute 33 Mitgliedstaaten – alle souveränen Länder des Kontinents mit Ausnahme der USA und Kanadas. Begleitet wurde die Konferenz von einem „Gipfel der Völker“ und einem internationalen Tribunal gegen die US-Blockade gegen Kuba. Erklärtes Ziel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es, den Vertretern der CELAC-Staaten den Rücken zu stärken gegen die neokolonialen Zumutungen der EU.

Bereits im Vorfeld des Treffens, das nach Redaktionsschluss von UZ endete, hatten die EU-Staaten feststellen müssen, dass sie es auf der anderen Seite des Ozeans längst nicht mehr mit willfährigen Vasallen zu tun haben, sondern ihnen selbstbewusste Verhandlungspartner gegenübertreten. Ein erstes Zeichen dafür, dass die Lateinamerikaner nicht alles mit sich machen lassen, erlebte Brüssel schon Tage vor dem Beginn des Gipfels. Auf Initiative von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sollte der ukrainische Machthaber Wladimir Selenski als Gast geladen werden. Das scheiterte am Veto der CELAC, deren Mitglieder ihre Neutralität gegenüber dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland beibehalten wollen. Dementsprechend schlug die CELAC für das Abschlussdokument auch eine Formulierung vor, die „ernsthafte und konstruktive diplomatische Lösungen für den gegenwärtigen Konflikt in Europa“ fordert.

Die kubanische Tageszeitung „Granma“ schrieb dazu bereits am 13. Juli: „Hoffen wir, dass die Entschlossenheit Lateinamerikas, sich zu einer Zone des Friedens zu entwickeln, den Ländern der Europäischen Union als Beispiel dienen wird, damit sie sich nicht als Kanonenfutter in Konflikten anbietet und nicht dem Anspruch der USA nachgibt, überall Kriege zu schüren und Sanktionen zu verhängen.“ Auch die spanische Kommunistin Maite Mola, die als Vizepräsidentin der Europäischen Linkspartei von der „Deutschen Welle“ zum Gipfel befragt wurde, stellt die einseitige Sichtweise der EU auf die Konflikte der Gegenwart in Frage: „Ist es etwa keine Invasion, die die USA mit ihrer Blockade gegen Kuba seit 60 Jahren begehen, obwohl die UN-Vollversammlung Jahr für Jahr dagegen stimmt?“ Auch wenn eine kriegerische Invasion offensichtlicher sei, gebe es auch „De-facto-Invasionen“, so Mola.

Die EU-Kommission hatte ihren neokolonialen Anspruch vor dem Gipfel in Brüssel durch die Veröffentlichung ihrer neuen Lateinamerika-Strategie im Juni in aller Offenheit formuliert: „Die Region verfügt in Bezug auf biologische Vielfalt, natürliche Ressourcen, nachhaltige erneuerbare Energien, landwirtschaftliche Erzeugung und strategisch wichtige Rohstoffe über ein einzigartiges Potential.“ Den Zugriff soll vor allem das Freihandelsabkommen „Mercosur“ sichern, das seit 2019 auf Eis liegt. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock formulierte dazu bei ihrem jüngsten Besuch in Südamerika, dass sie hoffe, dass das Abkommen zustande kommt – wenn nicht, „dann füllen andere die Lücke, wie zum Beispiel die Chinesen, die sich nicht um soziale und Klimastandards kümmern, plus wir haben dann keinen Zugang“. Das kann durchaus passieren.

Anstatt sich für das Freihandelsabkommen und damit erneute Ausplünderung zu erwärmen, forderten die Mitglieder der CELAC, insbesondere die Staaten der Karibik, Reparationen für die von den europäischen Mächten während der Conquista und der Kolonialherrschaft angerichteten Schäden und Verbrechen. „Wir anerkennen und bedauern zutiefst das unermessliche Leiden, das als Resultat des transatlantischen Handels mit afrikanischen Sklaven über Millionen Männer, Frauen und Kinder gebracht wurde“, heißt es in dem von der CELAC übermittelten Deklarationsentwurf. Auch um die Würde der Opfer wiederherzustellen seien Reparationen und Entschädigungen notwendig.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Veto gegen Brüssel", UZ vom 21. Juli 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit