Offen bleibt, welchen Stellenwert die Bahn zukünftig haben wird

Volker Wissing: Der digitale Verkehrsminister

Klimaschutzpolitik soll nach den Parteien der Ampelkoalition einer der Schwerpunkte der neuen Bundesregierung sein. Deutlich wurde schon in den Wochen vor der Koalitionsvereinbarung, dass der Personen- und Güterverkehr eine wichtige Rolle spielen soll. Viele verkehrspolitische Akteure gingen davon aus, dass Bündnis90/Die Grünen den neuen Verkehrsminister in Deutschland stellen werden.

Auch innerhalb der Deutschen Bahn AG (DB AG) und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) gab es Diskussionen, was von einer grünen Verkehrspolitik zu erwarten sei. Sicher war nur eins: Nach zwölf Jahren CSU-Dominanz im Verkehrsministerium wird es eine Zäsur sein. Verkehrspolitik, das ist aber in Deutschland in den letzten 50 Jahren schon immer und unabhängig vom Parteibuch eher eine Auto- und Straßenförderungspolitik gewesen, was sich seit dem Anschluss der DDR gerade im Osten sehr deutlich zeigte. Erst in den letzten Jahren gab es Ansätze, Schienenverkehr mehr unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, nachdem deutlich wurde, wie marode die Schieneninfrastruktur zum Teil ist.

Zur Überraschung vieler ging der Ministerposten an den FDP-Generalsekretär und ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten in der ersten Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz (2016 – 2021), Volker Wissing. Dort bekleidete er zwar das Ministerium für Wirtschaft, Landwirtschaft, Verkehr und Weinanbau, hatte aber offensichtlich seine Schwerpunkte in Letzterem, denn viele Presseberichte beschreiben ihn als ausgewiesenen Weinkenner. Zumindest in der Verkehrspolitik hatte er sich keinen Namen gemacht. Die Aufmerksamkeit sollte bei Volker Wissing jedoch auch auf seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen gelegt werden.

Wissing ist Mitglied im so genannten „Schaumburger Kreis“, der ein Zusammenschluss von liberal-konservativen Wirtschaftspolitikern der FDP ist. Ein Kreis, welcher Freiheit der Wirtschaft als möglichst ungeregeltes Betätigungsfeld für Unternehmen betrachtet. Der Markt steuert sich danach wie durch eine „unsichtbare Hand“ von selbst und ohne staatliche Eingriffe. Zu dieser wirtschaftspolitischen Ausrichtung passt auch, dass Volker Wissing an der Ausarbeitung und Verankerung der Schuldenbremse in das Grundgesetz beteiligt war.

Das nun von Wissing geführte Ministerium wurde als erstes umbenannt von „Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur“ in „Bundesministerium für Digitales und Verkehr“. Hierzu erklärte der neue Minister, dass die Modernisierung der Digitalen Infrastruktur künftig einen größeren Stellenwert erhält, und daher sollte es nicht als „Anhängsel“ des Verkehrs gesehen werden. Offen blieb dabei, ob er jetzt mehr Digitalminister und weniger ein Verkehrsminister sein wird.

In der letzten Woche hatte der digitale Verkehrsminister dann seinen ersten Auftritt im digitalen Konzerntreff der Führungskräfte der DB AG. Auf diesen Veranstaltungen werden die Führungskräfte der DB AG auf die nächsten Schwerpunkte des Konzernvorstandes eingeschworen. Volker Wissing und Bahnchef Richard Lutz lieferten sich dort ein halbstündiges moderiertes Gespräch über die künftige Verkehrspolitik und die Rolle der Bahn. Wissing machte deutlich, dass die Bahn in der Politik der neuen Bundesregierung in der Bedeutung steigt, ging aber in seinen Aussagen nicht weiter, als es aus dem Koalitionsvertrag zu entnehmen ist, auch wenn er sich gegenüber dem Publikum im firmeninternen Netz „DB Planet“ als Bahnfreund bezeichnete. Angesprochen auf die nötigen Investitionen machte er deutlich, dass die Schuldenbremse ein wichtiges und richtiges Instrument für ihn sei und es auch darauf ankomme, private Mittel zu mobilisieren. Schwerpunkte sah er in der Attraktivitätssteigerung der Bahn, der Anbindung von Stadt und Land sowie in der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsphasen. Die FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages benennt in ihren in der letzten Woche veröffentlichten „TOP 10 der Verkehrspolitik“ ihre Schwerpunkte, ohne die Bahn überhaupt zu nennen.

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"Volker Wissing: Der digitale Verkehrsminister", UZ vom 24. Dezember 2021



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