Zur Eskalation im Nahen Osten

Warum? Darum.

„Warum hat die Hamas das getan?“ – diese Frage beherrscht auch in den linken Kreisen die Debatte, wenn es um die Eskalation im Nahen Osten geht. Keine Diskussion, keine Veranstaltung, in der nicht mindestens eine Person diese Frage stellt, mit moralisierendem Unterton, häufig ist sie mit „Wie konnten sie nur?“ zu übersetzen.

Dabei ist die Erklärung simpel, die Hamas hat die Frage, was sie und ihre Verbündeten zur „Al-Aksa-Flut“ getrieben hat, selbst beantwortet: Es war nicht länger zu ertragen.

Man muss die Konsequenz aus dieser Erklärung nicht teilen, man muss nicht gutheißen, wie die Hamas Israel angegriffen hat. Aber man muss anerkennen, dass es für die Hamas und ihre Verbündeten Gründe gab, die so schwer wogen, dass es zur „Al-Aksa-Flut“ kam.

Da sind erstens die gefangenen Palästinenser. 8.000 harren in israelischen Gefängnissen aus, viele von ihnen alt, viele Frauen, selbst Kinder, die in Gefangenschaft geboren wurden und nicht in Freiheit leben dürfen. Zudem sind viele von ihnen in sogenannter administrativer Haft – ohne Anklage, ohne Gerichtsprozess, ohne die Möglichkeit, sich zu verteidigen.

Da ist das Verhöhnen der Palästinenser und der Vereinten Nationen durch Benjamin Netanjahu und seine Regierung. Bei der UN-Generalversammlung im September zeigte der israelische Regierungschef schamlos eine Karte, die Israel zeigen sollte – vom Fluss bis zum Meer ohne palästinensische Gebiete, ohne Westbank und ohne Gaza. Unverhohlen zeigte Netanjahu das Ziel der unter seiner extrem rechten Regierung noch einmal intensivierten Siedlungspolitik. Zur Erinnerung: 1993, zur Zeit des Abschlusses der Osloer Verträge, gab es auf der Westbank 75.000 Siedler. Heute sind es 800.000. Den Friedensprozess hat keine israelische Regierung nach der von Jitzchak Rabin auch nur ansatzweise ernst genommen. Das sieht man auch am Freiluftgefängnis Gaza.

Und dann sind da noch die massiven Angriffe auf dem Tempelberg (übrigens auch auf Christen). Frauen werden auf dem Weg in die Al-Aksa-Moschee auf offener Straße verprügelt, die Polizei schaut meistens weg, die Moschee wird regelmäßig gestürmt, Gebete gestört. Auch aus Jerusalem sollen die Palästinenser endgültig vertrieben werden.

Man muss die Handlungen der Hamas nicht gutheißen. Aber Gründe haben sie.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Warum? Darum.", UZ vom 27. Oktober 2023



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