Weiße Wäsche

Von Björn Blach

Das europäische Parlament beschloss 2009, den 23. August zum „Gedenktag für die Opfer aller totalitären und autoritären Regime“

zu erklären. Ein wichtiger Beitrag im ideologischen Klassenkampf von oben.

Klassenauftrag Antikommunismus

Ganz im Sinne der unwissenschaftlichen Totalitarismusthese wird das faschistische Deutschland mit der Sowjet­union gleichgesetzt, werden Äpfel mit Birnen verglichen. Dies diente noch während des zweiten Weltkrieges der Diskreditierung der SU, wurde nach dem Ausstieg der Imperialisten aus der Anti-Hitler-Koalition verstärkt. Das Ansehen, das sich die Rote Armee, die Kommunistischen Parteien und Stalin bei den Völkern Europas mit der Zerschlagung des Faschismus erarbeitet hatten, musste im Interesse der bürgerlichen Hegemonie bekämpft werden. Besonders in Deutschland bediente man sich direkt der ideologischen Muster der Faschisten. Nach den Konterrevolutionen bleibt dieser Klassenauftrag aktuell, wird aber ergänzt.

Relativierung des Faschismus

Die Bundeszentrale für politische Bildung behauptet, dass der Nichtangriffsvertrag den Weg zum Überfall auf Polen ebnete. Der Umkehrschluss: Ohne diesen hätte der 2. Weltkrieg nicht stattfinden können. Die faschistischen Kriegsplanungen, die konkreten Vorbereitungen in Deutschland, der Krieg gegen die Spanische Republik oder die Kolonialkriege in Afrika und Asien werden ignoriert. Die Klasseninteressen des Monopolkapitals spielen genausowenig eine Rolle und es bleibt der Nationalsozialismus über, der die Sache einer kleinen Handvoll Extremisten ist, welche nur stark werden konnten durch die Extremisten von links. In diesem Sinne folgerichtig ist dann auch, nicht den 1. September als Gedenktag zu erklären, denn dann wären ja einseitig nur die deutschen Faschisten schuld. Schon gar nicht kann es der 8. Mai als Tag der Befreiung sein, denn dabei die Rolle der Sow­jetunion zu verleugnen ist sehr schwierig. Das macht den Bürgerlichen auch den Auschwitz-Gedenktag so madig. Schließlich war es auch die Rote Armee, die dem Massenmord dort ein Ende setzte.

Reproduktion bürgerlichen Denkens

Das bürgerliche Denken ist unfähig, die widersprüchliche Realität zu fassen. Es reißt einen Gegenstand entweder aus seinen Zusammenhängen und Entwicklungen oder es bewertet beide Seiten des Widerspruchs als vollkommen gleichbedeutend. In beiden Fällen wird der Widerspruch und damit die Selbstbewegung eliminiert. An ihre Stelle treten entweder ein Fatalismus oder Moralisierung.

Wenn diese Form des Denkens dann Einzug bei Linken erhält, wird es schwierig. So schrieb Kurt Pätzold 2012 in einem ansonsten lesenswerten Artikel zur antikommunistischen Stoßrichtung dieses Gedenktages: Die Besetzung Polens durch die Rote Armee zeige, „dass die UdSSR vom Krieg Deutschlands gegen Polen zu profitieren suchte und das Völkerrecht missachtete“. Wenn man die Vernichtungspläne des Faschismus außer Acht lässt, die Interessen des Monopolkapitals und die Feindschaft des restlichen imperialistischen Lagers in diesem Moment nicht betrachtet, kann man zu dieser moralischen Einschätzung kommen. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme auf Grund der konkreten Entwicklung bleibt.

Imperialistische Kontinuität

Die Neuinterpretation der Geschichte des 20. Jahrhunderts im Sinne der selbsternannten westlichen Wertegemeinschaft lenkt von den Interessen des Monopolkapitals ab und präsentiert der Bevölkerung ein scheinbar demokratisches Integrationsmodell. Alles andere ist Totalitarismus.

Derzeit nutzen es vor allem die Teile der deutschen Oligarchie, die eher auf des Bündnis mit dem US-Imperialismus setzen und die Einkreisungspolitik gegen Russland mit unterstützen. Eine eigenständige russische Politik steht den Interessen nach günstigen russischen Rohstoffen und Absatzmärkten im Wege. Deshalb nutzen sie alle Möglichkeiten, um Russland kleinzuhalten.

Der Versuch, die SU und das Russland heute in eins zu setzen, entspricht sowohl den innenpolitischen Versuchen Putins, sich in diese in Russland (zu Recht) sehr populäre Tradition zu stellen, als auch den antikommunistischen Versuchen westlicher Medien, hier an die Hysterie der Bedrohung aus dem Osten anzuknüpfen.

Russland ist in der Defensive. Seine außerhalb Russlands gelegenen Interessensphären verteidigt es derzeit gegen die Einkreisungsstrategie der USA und der deutsch-geführten EU. Das öffnet Spielräume fortschrittlicher Kräfte: Arbeiter, Gewerkschafter, Antifaschisten auf der Krim hatten die Gelegenheit, sich zwischen dem russischen Oligarchen-Kapitalismus und den enthemmten faschistischen Horden zu entscheiden, die kurz zuvor am Odessaer Gewerkschaftshaus ein Massaker verübt hatten. Es ist richtig, wenn fortschrittliche Kräfte sich mit dieser Entscheidung und auch mit den dazu notwendigen Aktionen Russlands solidarisieren und sich der Annektionshetze entgegenstellen.

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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Weiße Wäsche", UZ vom 23. August 2019



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