Überraschungssieger bei der Wahl in Grönland

Zwischen Aufbruch und Ausverkauf

Am vergangenen Dienstag kam es zu einer richtungweisenden Wahl in Grönland – zuvor war die Regierungskoalition unter Führung der seit der „Gewährung der Selbstverwaltung durch Dänemark“ im Jahre 1979 regierenden Sozialdemokratie aufgrund innerparteilicher Streitigkeiten zerbrochen. Zum Streitobjekt wurde die Kuannersuit-Mine in Südgrönland, dort sollten seltene Erden sowie Uran abgebaut werden. Das Projekt spaltete die Gesellschaft tief, knapp 60 Prozent der Bewohner sprachen sich in einer Umfrage gegen den Abbau aus.

Frischen Wind in der grönländischen Politik sowie ein deutliches „Nein“ zum Minenprojekt versprach die „linkssozialistische“ Partei „Inuit Ataqatigiit“, angeführt vom 34-jährigen Múte Egede – sie konnte 36,6 Prozent (circa 9.900 Stimmen, 12 Mandate) auf sich vereinen. Die sozialdemokratische Partei „Siumut“ von Ministerpräsident Kim Kielsen landete mit 29 Prozent und zehn Mandaten auf Platz zwei. Egede, dessen Partei als Symbol die grönländische Version von Hammer und Sichel – Rundmesser und Harpune – führt, ist folglich mit der Regierungsbildung beauftragt und könnte mit der drittplatzierten „Naleraq“ über eine notwendige Mehrheit im Parlament verfügen.

Grönland ist sechsmal so groß wie Deutschland, wird jedoch von nur 56.000 Menschen, die meisten von ihnen Inuit, bewohnt – dies entspricht der Einwohnerzahl von Frankfurt an der Oder. Der Staatshaushalt ist abhängig von einem Finanzzuschuss aus Kopenhagen (circa 500 Millionen Euro jährlich). Dänemark investierte zudem 200 Millionen Euro in die militärische Infrastruktur, kontrolliert die Außenpolitik und beteiligte sich an den explodierenden Baukosten der geplanten Flughäfen. Den Wahlkampf dominierten die Alltagssorgen der Bewohner wie Arbeits- und Perspektivlosigkeit (sowie verbreiteter Alkoholismus) in einer Kombination mit den Bedenken hinsichtlich eines drohenden Ausverkaufs des Landes. Sorge bereitet, dass das bedeutendste volkswirtschaftliche Standbein – die Fischerei – im Zuge der globalen Klimakrise sowie der massiven Überfischung durch technisch überlegene Fabrikschiffe wegzufallen droht. Nach Angaben der deutschen Rohstoff­agentur ist Grönland Heimat „eines der größten Mineralvorkommen der Welt“ – in Zeiten der Produktion von Smartphones oder Kampfdrohnen ein profitabler Zweig der imperialistischen Lieferkette.

Dank Rohstoffreichtum und Geopolitik stieß die Wahl international auf reges Interesse. Den Weltmarkt seltener Erden beherrscht bisher China (circa 80 Prozent), die vorläufige Genehmigung zur Ausbeutung der Kuannersuit-Mine erhielt die australische Firma „Greenland Minerals“, deren größter Eigner stammt mit dem staatlichen Unternehmen „Shenghe Resources“ (12 Prozent) aus der Volksrepublik. US-amerikanische, französische sowie australische Monopole drängen in den Markt – wie „Telepolis“ berichtet, sollen der Rubin- und Uranabbau und erste Ölbohrungen Gegenstand von Verhandlungen sein. Nachdem Donald Trump 2019 Grönland kaufen (!) wollte, sollte klar sein, dass der Imperialismus der Region einen hohen Stellenwert beimisst, was neben dem Rohstoffreichtum vor allem an der strategisch günstigen Lage zwischen Nordatlantik und Nordpolarmeer liegt. Russland hat hier weiträumige Gebietsansprüche und nutzt die Meere um Grönland in den defensiven Plänen zur Landesverteidigung durch U-Boote. Peking hat ein massives Interesse an der Arktis – die „Polar Silk Road“ soll in der Zukunft einen direkten Seeweg über den Pol beinhalten –, allerdings wurde durch die dänisch-amerikanische Intervention das Engagement der Volksrepublik in der Region bisher massiv behindert. Inwieweit eine neue Regierung in den Kampf um die Region einzugreifen vermag, muss sich zeigen.

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"Zwischen Aufbruch und Ausverkauf", UZ vom 16. April 2021



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