Corona-bedingt stieg die Zahl der Paketsendungen. Postangestellte streiken

Ackern wie an Weihnachten

Tarifrunde Post: Die Konzernleitung will ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Almosen abspeisen. Am Donnerstag fand deswegen ein Warnstreik statt. Davor sprach UZ mit Andreas Michels, der eigentlich anders heißt. Er ist Betriebsrat bei einer Tochterfirma der Deutschen Post AG.

UZ: Am Donnerstag findet euer Warnstreik statt. Wofür streikt ihr?

Andreas Michels: Wir streiken dafür, dass unsere Forderungen in dieser Tarifrunde, die seit 1. September läuft, ernst genommen werden. Wir fordern bei einer Laufzeit von zwölf Monaten 5,5 Prozent mehr für Tarifbeschäftigte, also eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent und pauschal 90 Euro mehr für alle Auszubildenden und dual Studierenden.

UZ: Wie hat die Konzernleitung auf eure Forderungen reagiert?

Andreas Michels: Am Freitag, dem 4. September, gab es den ersten Verhandlungstermin mit der Arbeitgeberseite. Die hat kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt, sondern möchte uns mit einer Erhöhung von 1,5 Prozent abspeisen und die Laufzeit ist noch offen.

UZ: Wie haben das deine Kolleginnen und Kollegen aufgenommen?

Andreas Michels: Die Stimmung ist kämpferisch. Ich sehe nicht, dass es gut angekommen ist, weil gerade im Zuge der Corona-Pandemie schwierige Sachen gelaufen sind, die von uns gestemmt wurden. Der Arbeitgeber hat sich lange geziert, überhaupt mehr als warme Worte der Anerkennung zu bringen. Daher sind viele Kolleginnen und Kollegen der Meinung, dass das nicht sein kann, wo man in den letzten Monaten so viel geleistet hat und immer noch leisten muss.

UZ: Wie sah es denn während der heißen Phase der Corona-Pandemie bei der Post aus?

Andreas Michels: Sehr unterschiedlich. Der Bereich der Expresssendungen ist tatsächlich – wegen des internationalen Bereichs – eingebrochen. Im Briefbereich sind die Verkehrsmengen seit Jahren eh rückläufig. Das wird aber alles vom Paketbereich überschattet. Dort hat man Mengen erreicht, die normalerweise nur zu Weihnachten vorkommen. Im Regelfall sind die Zahlen bei fünf bis sechs Millionen Sendungen pro Tag. Aber im Starkverkehr vor Weihnachten klettern sie dann auf acht Millionen Sendungen, die pro Tag durch das Netz bewegt werden. Am verkehrsreichsten Tag 2019 waren es sogar zehn Millionen. Das hatten wir in den letzten Monaten oder auch manchmal mehr.

Viele Leute haben sich gezwungen gesehen, erstmals online einzukaufen, die davor, aus welchen Gründen auch immer, das nicht getan haben. Und viele haben jetzt die Erfahrung gemacht, dass das funktioniert. Es gibt Untersuchungen, die sagen, dass die dabei bleiben wollen.

Wir haben also schon jetzt Verkehrsmengen wie zu Weihnachten und haben das Weihnachtsgeschäft erst noch vor uns. Was da auf uns zukommen wird, wird ein GAU sein. Ich habe sehr große Fragezeichen, wie das gestemmt werden soll.

UZ: Wie sehen derzeit die Arbeitsbedingungen für Post- und Paketzusteller aus?

Andreas Michels: In den allerersten Tagen war es noch etwas holprig, aber mit Hilfe der Betriebsräte haben wir schnell und gut reagiert, was Desinfektionsmittel betrifft und dass entsprechende Abstandsregeln eingehalten werden.

Bei den Zustellern wurde davon abgesehen, dass sie mit Masken austragen. Das birgt ein gewisses Risiko für die Kolleginnen und Kollegen, aber man wollte da ein Zeichen der Sicherheit an die Bevölkerung senden.

UZ: Was versprecht ihr euch vom Warnstreik?

Andreas Michels: Wir wollen dem Arbeitgeber signalisieren, dass wir uns bewusst sind, was wir geleistet haben. Aber auch, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, dass das Ziel des Vorstands für 2020 nicht geschafft wurde, einen Gewinn vor Abzug der Steuern von über fünf Milliarden Euro zu erreichen. Das war ein Versprechen an die Aktionäre und der Vorstand jammert jetzt, dass es uns so schlecht gehe. Dabei ist das Jahr noch lange nicht zu Ende und die Aktie steigt.

UZ: Apropos Fünf-Milliarden-Ziel der Aktionäre: Wie viel verdient ein Paketzusteller und wie viel Stunden arbeitet er zurzeit?

Andreas Michels: Im Mutterkonzern gelten 38,5 Stunden Vollzeit und ein Zusteller verdient durchschnittlich 13,50 Euro brutto pro Stunde. So kommt man mit rund 2.000 Euro brutto pro Monat raus.

Das Gespräch führte Christoph Hentschel

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"Ackern wie an Weihnachten", UZ vom 11. September 2020



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