Mehrere afrikanische Staaten erinnern Ukraine an Verbot der Söldneranwerbung

Armut ausgenutzt

Erschütternde Bilder gingen Ende Februar um die Welt von afrikanischen Studenten in der Ukraine, die auf der Flucht vor dem Krieg von ukrainischen Polizisten mit Gewalt daran gehindert wurden, in Züge und Busse einzusteigen. Schwarzen Menschen würde die Flucht gezielt verwehrt, so der Vorwurf an ukrainische Behörden.

Wenngleich ukrainische Behörden Afrikanerinnen und Afrikaner als der Menschenwürde nicht wert erachten: Als Kanonenfutter dürfen sie allemal dienen. Am 27. Februar hatte der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba eine „Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine“ aufgestellt und erklärt, wer sich der Einheit anschließen wolle, könne sich an den Verteidigungsattaché der nächsten ukrainischen Botschaft wenden. Das Ministerium Kulebas stellte eine Website online, die detailliert erklärt, wie Interessenten zu Söldnern werden – samt Adressen und Telefonnummern ukrainischer Botschaften und Konsulate.

Ukrainische Institutionen in mehreren Ländern Afrikas teilten ähnliche Aufrufe auf Facebook und finden damit Gehör. „Wenn die Ukraine mich sehr gut bezahlt, wenn ich weiß, so viel kann ich hier nicht verdienen, dann gehe ich definitiv da hin und kämpfe“, zitiert die englischsprachige Website der „Deutschen Welle“ einen Studenten aus Kenia. Die „BBC“ gibt einen Nigerianer mit Abschluss in Philosophie wieder: „Wir wissen, dass das Krieg ist, kein Kinderspiel.“ Soldat in der Ukraine zu sein sei aber besser als in Nigeria zu leben. „Womöglich darf ich nach dem Krieg bleiben.“

Beide Statements zeigen: Die Motivation für junge Afrikaner, in den Krieg in Europa zu ziehen, speist sich aus der Perspektivlosigkeit im Heimatland, nicht daraus, dass das Narrativ der ukrainischen Regierungspropaganda von der Verteidigung „Europas“ und „unserer gemeinsamen zivilisatorischen Werte“ begeistert. Seit dem 9. März können ausländische Kombattanten die ukrainische Staatsbürgerschaft beantragen.

Träume vom schnellen Reichtum dürften sich angesichts des Salärs schnell zerschlagen. 7.000 Griwna bekämen ausländische Kämpfer in der Ukraine pro Monat, berichtete der britische „Economist“. Das sind 217 Euro. Das monatliche Medianeinkommen in Nigeria liegt bei 743 Euro.

Die „Internationale Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern“ der UNO untersagt die Anwerbung bezahlter Söldner. Mehrere afrikanische Staaten nutzen diese Konvention jetzt als Hebel, um sich gegen die unliebsamen Anwerbeversuche zur Wehr zu setzen.

Das senegalesische Außenministerium bestellte nach einem entsprechenden Post der ukrainischen Botschaft in Dakar den Botschafter Juri Pywowarow ein und übergab eine Protestnote. Die Anwerbepraxis verstoße gegen die Wiener Konvention, erklärte das Ministerium am 3. März. Sie sei sofort zu unterlassen. Die Anwerbung „ausländischer Freiwilliger, Söldner oder Kombattanten auf dem senegalesischen Territorium ist illegal und strafbar“. 36 Kandidaten hätten sich bereits beworben, räumte Pywowarow ein.

In Nigeria haben sich bis zum 1. März schon 115 junge Männer beworben. Gegenüber dem nigerianischen Außenministerium habe die ukrainische Botschaft die Anwerbepraxis geleugnet, teilte das Ministerium am 7. März mit. Sprecherin Francisca Omayuli nutzte die Gelegenheit, zu betonen, dass Nigeria „als verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft und in Übereinstimmung mit unseren Pflichten aus internationalen Gesetzen von dem Rückgriff auf Söldner überall in der Welt abrät und die Rekrutierung in Nigeria von Nigerianern als Söldner in der Ukraine oder anderswo in der Welt nicht toleriert“.

Auch das algerische Außenministerium verbat sich Anwerbeversuche mit Verweis auf die Wiener Konvention. In Südafrika kritisierte die dortige russische Botschaft die ukrainische Praxis.

Viele afrikanische Staaten unterhalten langjährige diplomatische Beziehungen zu Russland. 17 von ihnen enthielten sich bei der Abstimmung am 2. März in der UNO-Generalversammlung über die Resolution, die den „Angriff Russlands“ auf die Ukraine bedauerte. Mit Eritrea stimmte ein Land sogar mit Nein.

Eine Erklärung dafür lieferte Lionel Zensou, ehemaliger Premierminister Benins, auf seiner Geburtstagsfeier am 12. März in Paris: „Die Russen sind die einzigen Europäer, die Afrika dekolonisiert haben. Und Afrika erinnert sich daran. Genauso wie Afrika sich an die europäischen Gräueltaten erinnert.“

Die Ukraine wirbt nicht erst seit Ende Februar ausländische Söldner in Afrika an. Zwei ihrer privaten Militärfirmen, Omega Group und Ukrainian Helicopters, rekrutieren seit Jahren erfahrene Kombattanten in Burkina Faso respektive fliegen Einsätze in der Elfenbeinküste, Kongo und Mali.

In Frankreich, den USA und anderen imperialen Mächten ist die Praxis, unterjochte Subjekte aus dem Kolonialbesitz vor die eigenen Panzer zu spannen, Jahrhunderte alt. Und der Rassismus gegenüber den zweckdienlichen Ausgebeuteten gehörte schon immer dazu.

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"Armut ausgenutzt", UZ vom 8. April 2022



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