Glasgower Klimakonferenz: Bundesregierung gibt unverbindliche Zusagen

Deutschland im Bremserhäuschen

Die Rolle der Bundesregierung auf der Klimakonferenz in Glasgow (COP26) hat ein gemischtes Echo hervorgerufen. Es sei zwar „vieles versprochen“ worden, hieß es in ersten Einschätzungen deutscher Leitmedien; doch sei Berlin „nicht immer“ daran beteiligt gewesen. Während des rund zweiwöchigen Treffens seien in einem beachtlichen Tempo Absichtserklärungen und Deklarationen von wechselnden Allianzen von Staaten unterschrieben worden, so dass „kaum ein Tag“ vergangen sei, an dem „nicht die Rettung der Wälder, der Umbau der Landwirtschaft oder das Ende der Kohle“ deklariert worden sei. Die Gipfelerklärungen stünden allerdings in einem auffälligen Kontrast zur trägen realen Klimapolitik, also zur schleppenden Umsetzung der Gipfelversprechen.

Angeschlossen hat sich die Bundesregierung etwa der internationalen Vereinbarung zum Schutz der Waldflächen, die ein Ende der globalen Nettoentwaldung bis 2030 vorsieht. Danach soll eine Phase globaler Wiederaufforstung eingeleitet werden. Der Vertrag darüber ist von einer „Koalition der Willigen“ von mehr als 100 Staats- und Regierungschefs unterschrieben worden, darunter Russland, die USA, Kanada, Indonesien und sogar Brasilien. Auf dem Territorium der Unterzeichnerstaaten befinden sich 85 Prozent der globalen Waldflächen, wobei die bislang unvermindert voranschreitende Entwaldung für rund 15 bis 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Der Haken an der Sache besteht allerdings darin, dass die Vereinbarung nicht verbindlich ist.Die Ankündigung weise zwar „in die richtige Richtung“, erklärten Vertreter von Umweltorganisationen, doch müsse sie mit einem „verbindlichen Abkommen abgesichert werden“. Gelinge dies nicht, werde auch diese Initiative „scheitern wie schon andere vor ihr“.

Deutschland beteiligt sich zudem an einer Erklärung von mehr als 40 Staaten, die einen beschleunigten Ausstieg aus dem fossilen Energieträger Kohle zusagten. Darunter sind auch ausgesprochene Kohleländer wie Polen, Vietnam und Indonesien. Die Vereinbarung sieht vor, dass sich die Industrieländer unter den Unterzeichnern in den 2030er Jahren von der Kohle verabschieden, in den 2040er Jahren dann die Schwellen- und Entwicklungsländer. Für die Bundesrepublik stellt diese Erklärung allerdings keine Beschleunigung ihres nationalen Kohleausstiegs dar, da dieser ohnehin bis spätestens 2038 geplant ist. Problematisch an der Abmachung ist zudem der Umstand, dass die größten Kohleverbrenner – vor allem China und die USA – sich nicht an ihr beteiligt haben.

Die Bundesregierung hat sich zudem gemeinsam mit Kanada im Vorfeld des Gipfels an Sondierungen zur Einhaltung klimapolitischer Finanzierungszusagen für Entwicklungsländer beteiligt. Diese sollten eigentlich ab 2020 insgesamt 100 Milliarden Euro pro Jahr erhalten, um ihre Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen. Diese Summe ist bislang nicht erreicht worden; laut Beteuerungen deutscher und kanadischer Diplomaten sollen die Gelder nun aber ab spätestens 2023 in voller Höhe fließen. Die Nichteinhaltung der Finanzierungszusagen wird im COP26-Abschlussdokument mit „großem Bedauern“ festgestellt.

Überdies hat sich die Bundesregierung nach kurzem Zögern entschlossen, einer Staatenallianz beizutreten, die Auslandsinvestitionen zur Finanzierung der Nutzung fossiler Energieträger ab Anfang 2023 gänzlich einstellen will. Es geht dabei aber, wie berichtet wird, nur um „Projekte, die die Länder mit öffentlichen Mitteln außerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen unterstützen“. Zu den 27 Staaten, die das Vorhaben unterstützen, gehören unter anderem die USA, Kanada, Dänemark, Finnland und Neuseeland. Das jährliche Investitionsvolumen der beteiligten Staaten in fossile Auslandsinvestitionen belief sich demnach auf durchschnittlich 18 Milliarden US-Dollar. Der Ankündigung haben sich auch einige Banken und die Europäische Investitionsbank (EIB) angeschlossen.

Die Gipfelinitative, einen generellen Verzicht auf die weitere Erschließung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten zu vereinbaren, ist hingegen weitgehend gescheitert. Dem von Dänemark und Costa Rica initiierten Staatenbündnis „Beyond Oil & Gas Alliance“, das ein rasches Ende der Förderung und Produktion fossiler Brennstoffe anstrebt, haben sich nur elf Staaten und Regionen angeschlossen, darunter Frankreich, Irland und Schweden; Neuseeland und Portugal nehmen den Status assoziierter Staaten ein. Deutschland verweigerte hingegen die Unterschrift unter das Dokument.

Zudem weigerte sich Berlin, einer Staatenallianz beizutreten, die einen raschen Ausstieg aus der Fertigung von Verbrennungsmotoren anstrebt. Rund zwei Dutzend Staaten haben in Glasgow eine Erklärung unterschrieben, die bis 2035 ein Ende der Fertigung von Autos mit Verbrennungsmotor vorsieht. Sogar Fahrzeughersteller wie General Motors, Ford und Mercedes-Benz unterstützen die Initiative, der die Bundesregierung hingegen ihre Unterschrift verweigerte. Nach einer regierungsinternen Prüfung habe man beschlossen, das Abkommen „heute nicht zu unterschreiben“, erklärten Regierungssprecher. Insbesondere der Widerstand des geschäftsführenden Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) soll für die Verweigerungshaltung Berlins verantwortlich sein. Scheuer besteht auf der Einstufung „synthetischer Kraftstoffe“ als klimaneutral.

Zudem hieß es, es sei eine „Lehre aus Glasgow“, dass Deutschland seinen Anspruch verliere, eine „Vorreiterrolle“ beim Klimawandel einzunehmen. Die Bundesregierung habe auf dem Klimagipfel eine „unrühmliche Rolle“ gespielt; sie habe eine der „großen Enttäuschungen des Gipfels“ bereitet, da viele Beobachter nicht erwartet hätten, „dass Deutschland so wichtige Erklärungen wie das Aus beim Verbrennungsmotor nicht unterzeichnet“. Dies sei „entweder ein Meisterstück der Autolobby oder schlichtweg dumm“. Überdies dürfe bezweifelt werden, ob Berlin seine Zusagen zum Ausstieg aus der Auslandsfinanzierung fossiler Brennstoffe ab 2022 einhalte, da „die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bis 2030 in Projekte der Gas-Infrastruktur verwickelt“ sei. Das Ganze sehe einmal mehr nach „einer Mogelpackung“ aus. Außer Geld habe Deutschland bei der COP26 „nichts zu bieten“ gehabt, und es sei schleierhaft, wie angesichts dieser Haltung die „großen Weichenstellungen“ wie die Verkehrs- und die Energiewende realisiert werden sollten. Selbst wenn die in Glasgow gefassten Beschlüsse umgesetzt würden, steige die globale Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 2,4 Grad an – mit katastrophalen Konsequenzen.


Die angeführten Zitate sind folgenden Medien entnommen: sueddeutsche.de, nytimes.com, spiegel.de, beyondoilandgasalliance.com., rnd.de, rtl.de




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