Ausländische Intervention und gute Geschäfte haben im Jemen lange Tradition

Ein Land wird zerstört

Von Manfred Ziegler

Seit mehr als zwei Jahren zerstören die Bomben Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten die In­frastruktur des Jemen. Der Mangel an Trinkwasser und ärztlicher Versorgung hat nun zu einem Ausbruch der Cholera geführt. Etwa 7,6 Millionen Menschen leben im Jemen in Gebieten, in denen sie einem hohen Risiko einer Cholera-Infektion ausgesetzt sind.

Ohne die Hilfe des Westens wäre dieser Krieg nicht möglich. Die USA und Großbritannien liefern Waffen und unterstützen Saudi-Arabien logistisch und mit militärischen Beratern. Seit dem Beginn des Krieges wurden Waffen für Milliarden Euro von Großbritannien nach Saudi-Arabien exportiert. Auch Deutschland ist bei dem Geschäft dabei.

Die Intervention ausländischer Mächte im Jemen hat eine lange Tradition. Am 16. Januar 1839 eroberte Großbritannien die Hafenstadt Aden und erst 1967 musste der letzte Hochkommissar unter dem Druck der „Nationalen Befreiungsfront“ und ihrer Verbündeten das Land verlassen. Zur selben Zeit kämpften im Nordteil des Jemen arabische Nationalisten mit Hilfe Ägyptens gegen die Monarchie schiitischer Stämme. Damals unterstützten Saudi-Arabien und Großbritannien diese Stämme – die heute die Basis der Ansarollah (Huthi) bilden. 2007 und heute erneut bombardierte die saudische Luftwaffe Stellungen der Ansarollah, die um ihre Unabhängigkeit von der Zentralregierung kämpften.

Nachdem sich der Norden und Süden des Jemen vereinigt hatten, führten die Demonstrationen im Jahre 2011 (damals als „Arabischer Frühling“ verstanden) zur Ablösung des Präsidenten Salih. Unter dem Druck Saudi-Arabiens wurde im Februar 2012 Mansur Hadi als einziger Kandidat zum Präsidenten des Jemen gewählt. Über eine wirkliche Unterstützung im Lande verfügte er nicht. Die Ansarollah kämpfte weiter gegen die Zentralregierung, gegen die Vernachlässigung des Nordens und unter dem Motto sozialer Gerechtigkeit.

Heute gibt es im Jemen mehrere Kräfte, die gegeneinander kämpfen. Die Ansarollah kämpfen im Bündnis mit den Unterstützern des ehemaligen Präsidenten Salih in Armee und Sicherheitsapparat gegen das Militärbündnis Saudi-Arabiens und seine Verbündeten vor Ort. Bis zu 70 Prozent der Armee – von den USA ehemals gut ausgebildet und ausgerüstet – stehen auf Seiten Salihs.

Al Kaida und IS nutzen den Krieg, um ihren Einfluss auszuweiten. Und zugleich gibt es die Unabhängigkeitsbewegung im Süden des Jemen. Sie kämpfte mit den Truppen des Präsidenten Hadi gegen den gemeinsamen Feind, verfolgt aber ihr eigenes Ziel der Unabhängigkeit. Stämme wiederum haben ihre eigenen Interessen und Loyalitäten.

Die Partei der Moslembrüder, die in den Protesten 2011 eine führende Rolle gespielt hatte, hat ihre Bedeutung verloren – spätestens als die Aktivistin und Friedensnobelpreisträgerin von 2011, Tawakkol Karman, im Namen der Partei der Moslembrüder die Militärintervention Saudi-Arabiens unterstützte.

Immer wieder kommt es zu großen Demonstrationen in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, auf denen Zehntausende oder Hunderttausende Menschen gegen die Luftangriffe protestieren. Damit verstärkte sich auch die Unterstützung für die Ansarollah in der Bevölkerung. Über ihre ursprüngliche Basis hinaus gelang es ihr, mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und einem Ende der Korruption Unterstützung zu erlangen.

Die ehemalige Zusammenarbeit zwischen Hadi und der südlichen Unabhängigkeitsbewegung hat ihr Ende gefunden. Zuletzt wurde der Gouverneur von Aden durch die Hadi-Regierung abgesetzt. Ihm wurden zu enge Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgeworfen. Die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen offenbar die Unabhängigkeitsbestrebungen im Süden des Jemen und stehen damit im Widerspruch zu den Interessen Saudi-Arabiens.

Heute dominiert die Ansarollah im Norden des Jemen, die Verbündeten Saudi-Arabiens und Al Kaida machen sich die Kontrolle im Osten streitig und südliche Unabhängigkeitsbewegung und die Verbündeten Saudi-Arabiens streiten um die Kontrolle im Süden.

Doch allen internen Kämpfen und Widersprüchen zum Trotz ist die Zerstörung des Jemen vor allem die Folge der saudischen Intervention und der Luftangriffe. Damit setzt sich die unselige Tradition ausländischer Interventionen fort. Schon seit mehr als zwei Jahren zerstören die Bomben Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten mit Unterstützung des „Westens“ die In­frastruktur des Jemen. Die Folge sind Tausende Tote, drohende Hungersnot und ein massiver Cholera-Ausbruch mit mittlerweile mehr als 300 Toten und über 30000 Verdachtsfällen.

Das Land wird zerstört, um den angeblichen Einfluss des Iran zurückzudrängen – und das ist vor allem ein gutes Geschäft: Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien über 350 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren, davon 110 Milliarden sofort, wurden bei Trumps Besuch in Riad unterzeichnet.

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"Ein Land wird zerstört", UZ vom 26. Mai 2017



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