China vor der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses

Endspurt im Fünfjahresplan

Am Montag und Dienstag hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses Chinas (NVK) die Vorbereitungen für die Jahrestagung abgeschlossen. Der NVK ist das höchste gesetzgebende Organ der VR China, sein Ständiger Ausschuss hat leitende Funktion, arbeitet zwischen den NVK-Jahrestagungen und bereitet diese vor.

Rund 3.000 Delegierte werden ab dem 5. März in der Großen Halle des chinesischen Volkes in Peking zusammenkommen. Ein strammes Programm liegt vor ihnen, auch wenn die wesentlichen Diskussionen und die Erarbeitung dessen, was auf der NVK-Jahrestagung als Beschlussfassung vorliegt, bereits im Vorfeld stattgefunden haben.

Die Delegierten beraten in Peking auch unter dem Zeichen der Konfrontationspolitik des Westens gegen Russland und die VR China. Das fand unter anderem darin Ausdruck, dass sich der Ständige Ausschuss Anfang der Woche noch einmal mit einer überarbeiteten Fassung des Gesetzes zur Wahrung von Staatsgeheimnissen befasste.

Scharfe Töne gab es aus Peking nicht zu hören, die kommen jedoch regelmäßig und in immer kürzeren Abständen aus dem Westen. Der Konflikt über die zu China gehörende Insel Taiwan wurde wieder einmal geschürt, indem eine Delegation von US-Politikern der Regierung in Taipeh einen offiziellen Besuch abstattete und vor einer chinesischen Invasion warnte. Peking wird nicht müde, darauf zu verweisen, dass sich die USA der Ein-China-Politik verpflichtet haben, die besagt, dass sie keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten und sich nicht in innerchinesische Angelegenheiten einmischen.

Auch in Deutschland wird im Vorfeld der NVK-Jahrestagung Stimmung gemacht. So berichtete das Nachrichtenportal von „t-online“ am Dienstag über „selbstfahrende Drohnenschiffe“ vor der Küste Taiwans und fragte „Droht eine Invasion?“.

Die Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) berichtete dagegen am Dienstag, dass chinesische Studenten bei ihrer Einreise in die USA verhört und über „längere Zeit befragt“ wurden, wobei ihre Handys kontrolliert worden seien. Offenbar werden Chinesen nun unter den Generalverdacht gestellt, für die Volksrepublik zu spionieren. Einigen Studenten sei sogar ihr Visum entzogen und sie seien abgeschoben worden – unter dem Vorwand der Wahrung der „nationalen Sicherheit“, wie die internationale Ausgabe von People‘s Daily Online berichtete.

Die chinesische Regierung – und allen voran Präsident Xi Jinping – blicken dennoch positiv in die Zukunft (UZ vom 16. Februar). Das dürfte auch daran liegen, dass die VR China nicht erst jetzt damit beginnt, auf die eigenen Stärken zu setzen. Der derzeitige 14. Fünfjahresplan läuft noch bis zum nächsten Jahr, enthält aber bereits die Orientierung auf qualitatives Wachstum. Und auch der strategische Plan „Made in China 2025“, der bereits 2015 auf den Weg gebracht wurde, enthält bereits eine Ausrichtung auf die Bereiche entlang der Wertschöpfungskette, die in der Vergangenheit von ausländischen Unternehmen dominiert wurden. Im laufenden Fünfjahresplan ist deshalb festgelegt, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung jedes Jahr um 7 Prozent erhöht werden. Auch das Bildungssystem wurde weiter ausgebaut. Im letzten Jahr verließen 11,6 Millionen Chinesinnen und Chinesen mit einem Abschluss die Hochschulen des Landes. Xi hatte in seiner Neujahrsansprache angekündigt, diese Anstrengungen im Bereich Bildung, Forschung und Entwicklung noch einmal massiv zu verstärken.

Beim Ausbau von Forschung und Entwicklung in China geht es auch, aber eben nicht nur darum, Millionen von gut ausgebildeten jungen Menschen einen entsprechenden Job anbieten zu können. Die mit der Reform- und Öffnungspolitik jahrzehnte-lang durchgeführte erfolgreiche Wirtschaftspolitik setzte stark auf ausländische Investitionen und Joint Ventures, um einen Technologietransfer zu ermöglichen. Diese Zeiten scheinen vorbei. Zwar betont die chinesische Regierung immer wieder, dass ausländische Investoren – unter Bedingungen – weiterhin willkommen sind, zumal die Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern außerhalb „des Westens“ sehr gut sind. Doch das Land hat in vielen Bereichen so weit aufgeholt – und in einigen sogar überholt –, dass Technologietransfer für die chinesische Seite nicht mehr im Vordergrund steht. Zudem erschweren Sanktionen des Westens zunehmend eine Zusammenarbeit, was sich auch auf die internationale Zusammenarbeit von Hochschulen negativ auswirkt.

Die Konfrontationspolitik des Westens tut ihren Teil, um die eigenständige Entwicklung der Produktivkräfte in China voranzutreiben.

  • Aktuelle Beiträge
Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Endspurt im Fünfjahresplan", UZ vom 1. März 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit