Rüstungsgewinne contra Friedensaussicht

Es handelt sich bei diesem Krieg

Kolumne

„Es handelt sich bei diesem Krieg um …“ beginnt der Historiker seine Rede, aber der wache Aphoristiker unterbricht ihn: „Es ist alles gesagt. Bei diesem Krieg handelt es sich.“ – Das ältere Aperçu schlägt eine Schneise in die Gegenwart. Krieg ist in der Ukraine. Eine Tragödie für die Völker. Ein Füllhorn für die Rüstungskonzerne. Solange deren Kasse ins Obszöne quillt, hält die Klasse, die kassiert, Frieden für einen Renditekiller.

09 Kolumne koenig hartmut 1331 - Es handelt sich bei diesem Krieg - Friedenskampf, Kriege und Konflikte, Rüstungsindustrie - Positionen

„Die EU macht eine Milliarde Euro für die Rüstungsindustrie locker. Kommen soll das Geld unter anderem aus dem Corona-Rettungsfonds“, berichtete die „Berliner Zeitung“ schon Anfang Mai. Erhebliche Summen seien daraus nicht abgerufen worden. Ein Anzapfen wäre naheliegend. Vor Bellizismus gefeite Vernunft würde es für naheliegend halten, die Gelder zur Lösung dringender sozialer Aufgaben in Europa und der Welt zu verwenden. Für die Beseitigung der Miseren im Gesundheits- und Bildungswesen. Für die Beendigung neokolonialistischer Ausbeutung der armen Länder und eine effektive Wirtschaftshilfe, die Brain-Drain als unmoralisch ansähe und das unerträgliche Flüchtlingselend lindern würde. Für unaufschiebbare ökologische Ziele. Aber solche Vernunft hat es unendlich schwer.

Munitionsknappheit in der ukrainischen Armee ist ein aktueller Anlass für die geplanten Ausgaben in Milliardenhöhe, die die EU zur Steigerung der Produktionskapazitäten und die „Umrüstung“ alter Bestände in Europa für zielfördernd hält. 500 Millionen Euro sollen bis Mitte 2025 aus dem EU-Haushalt und dieselbe Summe noch einmal kofinanziert von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden. „Wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“, verkündete EU-Binnenmarktkommissar Breton in ungenierter Offenheit.

Bei der Rüstungslobby werden die Sektkorken geknallt haben. Denn der neue Deal ist noch gar nicht enthalten in den 68 Milliarden Euro, die Kommissionspräsidentin von der Leyen in Prag als bisherige Unterstützung der EU für Kiew beziffert hatte. Man erinnert sich fast dankbar an Zeiten, in der Unfähigkeit an der Spitze des deutschen Verteidigungsministeriums bei ihr und ihresgleichen zu kuriosen Formen der Abrüstung geführt hatte, weil so wenig flog, schwamm und rollte. Dann aber hat der Zeitenwende-Kanzler das 100-Milliarden-Geschäft zur Aufrüstung der Bundeswehr auf den Weg gebracht, ein verheerendes Erbe, das Goldregen über den Rüstungskonzernen ausschüttet, indes die Lebensqualität vieler Zeitgenossen und erst recht künftiger Generationen verhageln wird.

Im vergangenen Jahr hat allein die Rüstungsschmiede Rheinmetall ihren Umsatz um 752 Millionen Euro auf 6,41 Milliarden Euro gesteigert und erzielte nach Steuern einen Gewinn von einer reichlichen Milliarde Euro – 202 Millionen Euro mehr als 2021. Kein Wunder, dass der in die Zukunft träumende Rheinmetall-Chef Papperger dem Karriereminister Pistorius seinen Dank für einen „intensiven Dialog mit der Industrie“ abstattete. Schließlich prognostiziert er ein jährliches Wachstum von 20 bis 30 Prozent, wobei schon 2023 wieder ein Rekordjahr werden dürfte. Allein aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr rechnet er mit einem hohen einstelligen, wenn nicht zweistelligen Milliardenbetrag. Eine Wertsteigerung des Unternehmens auf 17 Milliarden Euro hält der Rheinmetall-Boss mittelfristig für realistisch.

Nun liest man, auch dem Rüpeldiplomaten Andrij Melnik, Ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland und zurzeit Kiews stellvertretender Außenminister, ist diese lukrative Perspektive nicht entgangen. Sollte es mit seiner Bestellung als Botschafter in Brasilien nicht klappen, gäbe es für ihn vielleicht gute Aussichten in der deutsch-ukrainischen Rüstungsproduktion. Rheinmetall hat mit einem Kiewer Staatsunternehmen in der Ukraine eine Gemeinschaftsfirma für die Wartung und Reparatur von gepanzerten Fahrzeugen gegründet, wobei auch der Bau von Panzern vorbereitet werde. Also: Kein Ende in Sicht für Profit durch Krieg. Bei diesem Krieg handelt es sich.

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"Es handelt sich bei diesem Krieg", UZ vom 7. Juli 2023



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