Hier zeigt sich der ganze Frust

Das Gespräch führte Gerhard Ziegler

Ulrike Schmitz war 20 Jahre Mitglied des Betriebsrates bei VW Braunschweig und langjährige Vorsitzende der DKP-Betriebsgruppe VW Braunschweig und Wolfsburg.

Ulrike Schmitz war 20 Jahre Mitglied des Betriebsrates bei VW Braunschweig und langjährige Vorsitzende der DKP-Betriebsgruppe VW Braunschweig und Wolfsburg.

( Picasa)

Die UZ sprach mit Ulrike Schmitz über die Tarifrunde bei der Volkswagen AG.

UZ: Der Pilotabschluss der IGM für Baden-Württemberg scheint nun nach und nach von allen Bezirken übernommen zu werden. Bei VW allerdings gehen die Verhandlungen erst am 20. Februar weiter. Eure Forderungen decken sich nicht mit denen der Fläche. Was ist der Grund?

Ulrike Schmitz: Volkswagen, das heißt die sechs Werke in Niedersachen und die Financial Services, hat einen Haustarifvertrag. Die Laufzeit ist um einen Monat versetzt zur Fläche. Bei der Entgeltforderung unterscheiden wir uns nicht. Aber bei den Arbeitszeit-Forderungen. Aufgrund abweichender Arbeitszeit-Tarifverträge und bestehender Betriebsvereinbarungen kann bei VW Teilzeit mit Rückkehrrecht schon jetzt geregelt werden, wenn auch nicht immer die „Wunscharbeitszeiten“ z. B. für Kinderbetreuung möglich sind.

Andererseits ist der Tarifvertrag, der die jährlichen Auszubildendenzahlen festlegt, ausgelaufen. Hier möchte die IG Metall wieder eine langfristige Regelung auf dem gleichen hohen Niveau. Handlungsbedarf sehen die Metallerinnen und Metaller aber auch bei der Werksrente. Durch Verschlechterungen für Neueingestellte bietet sie für die Mehrheit der Beschäftigten keine effektive Absicherung mehr.

UZ: Gibt es denn schon ein Angebot?

Ulrike Schmitz: Völlig unzureichend und auch mit nicht akzeptablen Gegenforderungen. So will VW einen Anteil von 20 Prozent mit 40-Stunden-Verträgen, und Heiligabend und Silvester sollen nur noch zur Hälfte bezahlt werden.

UZ: Habt ihr euch an den Warnstreiks der Fläche beteiligt?

Ulrike Schmitz: Die VW-Beschäftigten haben natürlich die Kollegen in der Fläche unterstützt. Es gab „Verhandlungsbegleitung mit Protesten“, aber auch Arbeitsniederlegungen an allen VW-Standorten.

UZ: Wie war die Stimmung?

Ulrike Schmitz: Noch nie war die Motivation so groß. Als besonderes Beispiel nenne ich nur die Beschäftigten der Bank. 1 500 Banker verließen zum ersten Mal ihren Arbeitsplatz. Auch die Auszubildenden hatten ihren eigenen Block und gingen hinter dem Transparent: „Fight for our Future – Ausbildung, statt aus mit der Bildung!“ Das Werk stand komplett. Ebenso in Wolfsburg. Auch hier war die Beteiligung hoch.

Ich denke, hier zeigte sich der ganze Frust der Beschäftigten über den Vorstand, den Umgang mit dem Dieselskandal, den Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern und die Abwälzung der Folgen auf die Beschäftigten. Dem VW-Vorstand muss klar sein, dass er kein besonderes Vertrauen mehr genießt. Und dass auch bei VW weitere Aktionen möglich sind, die weh tun, wenn es kein akzeptables Angebot gibt.

UZ: Es ist ja oft zu hören, dass VW noch nicht über den Berg sei, dass noch Gerichtsverfahren mit hohen finanziellen Risiken bestehen.

Ulrike Schmitz: Das interessiert in der Tarifrunde nun wirklich nicht. VW wird wohl trotz Krise das beste Jahr in seiner Geschichte haben. Am 11. März wissen wir mehr, da ist Bilanzpressekonferenz. Aber klar ist, die Aktionäre werden gut bedacht, die Vorstände kassieren gut, da ist auch genug Geld da für die Beschäftigten.

UZ: Bei VW verliefen die Tarifverhandlungen in den letzten Jahren ja immer relativ geräuschlos, ist der härtere Kurs jetzt Folge der „neuen Kultur“ bei Volkswagen?

Ulrike Schmitz: Das kann man so sehen. Aber die IGM hat gute Argumente, die Beschäftigten sind sauer und nicht zu vergessen: Im März sind die Betriebsratswahlen. Da erwarten die Kolleginnen und Kollegen einen akzeptablen Abschluss und unabhängig davon auch noch den tariflich festgeschriebenen Bonus mit einem ordentlichen Zuschlag obendrauf.

UZ: Du erwartest also ein gutes Ergebnis?

Ulrike Schmitz: In der Tat. Aber da muss die Verhandlungskommission noch ordentlich Druck machen und auch kreativ sein. Die Konzernleitung bei Volkswagen will natürlich keinen Abschluss, der im Volumen höher ist als der der Fläche. Schließlich sind sämtliche Konkurrenten und Zulieferer im Flächentarifvertrag. Da will man keinen Nachteil.

UZ: Wie habt ihr euch als Betriebsgruppe der DKP eingebracht?

Ulrike Schmitz: Ich denke mal, dass die Genossen im Betrieb richtig diskutieren. Wir haben ein Extra des „Roten Käfer“ als Soli-Erklärung rausgebracht, und im nächsten „Käfer“ werden wir das Ergebnis dann auf dem Hintergrund der Ergebnisse der Hauptversammlung bewerten.

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"Hier zeigt sich der ganze Frust", UZ vom 23. Februar 2018



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