Polizeigesetze werden ausgebaut

Im Gleichschritt

Von Markus Bernhardt

Den weiteren Abbau der letzten verbliebenen Grund- und Freiheitsrechte wollen die Innenminister von Bayern und Nordrhein-Westfalen beschleunigen und ihre jeweiligen Bundesländer künftig mit neuen Polizeigesetzen ausstatten. Auch die verbliebenen Reste des aufgrund der Verbrechen des deutschen Faschismus historisch erwachsenen Trennungsgebotes von Polizei und Geheimdiensten wird zunehmend entsorgt. So soll die Polizei in Bayern künftig präventive Ermittlungen durchführen, Post und Computer durchsuchen und dies alles ohne einen Verdacht auf eine konkrete Straftat. Zukünftig sollen V-Leute eingesetzt werden, die auch in Privatwohnungen filmen und diese durchsuchen können. Auch dürfen Beamte künftig unter Vorspiegelung einer falschen Identität Kontakt zu Verdächtigen aufnehmen können. Das neue Polizeigesetz soll bereits ab kommenden Sommer gelten und macht den Freistaat damit zu einem Überwachungsstaat erster Güte.

Dass der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) das neue geplante bayerische Polizeigesetz politisch vorbereitet und in seinem letzten Kabinett als Ministerpräsident in München durchgesetzt hat, muss bedacht werden. Und dass dieses Gesetz als Blaupause für eine Novelle der Bundesgesetzgebung im Bereich der Polizeibehörden von ihm genutzt wird, dürfte kaum von der Hand zu weisen sein.

Eine ähnliche Entwicklung steht unterdessen auch im von CDU und FDP regierten Nordrhein-Westfalen bevor. Dort hatte die Landesregierung als einen ihrer ersten Schritte flugs die von der Vorgängerregierung kurz zuvor beschlossene Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte kassiert. Vor wenigen Tagen sprach sich CDU-Landesinnenminister Herbert Reul für „robuste“ Polizeieinsätze aus, womit wohl gemeint ist, dass die Beamten fortan ohne genauer hinzusehen erst einmal den Knüppel schwingen sollen. Zugleich soll auch in NRW der Überwachungsstaat ausgebaut werden. Datenschutz findet mehrheitlich auf dem Papier statt und auch im bevölkerungsreichsten Bundesland wird nach dem Vorbild von Bayern die gängige Praxis der Unschuldsvermutung ad absurdum geführt. Auch für potentiell Beschuldigte dürfte die Luft dünner werden: Bis zu sieben Tage soll eine Person künftig in Gewahrsam genommen werden dürfen – ohne eine Anklage versteht sich. Auch Fußfesseln sollen künftig verstärkt zum Einsatz kommen und zwar eben nicht nur bei bereits überführten und verurteilten schweren Straftätern, sondern vielmehr bei sogenannten „Gefährdern“, was keineswegs nur religiöse bzw. terroristische Fanatiker meint, sondern alle, die von den Sicherheitsbehörden dafür gehalten werden. Wie in vielen anderen Bundesländern auch, soll die Videoüberwachung im öffentlichen Raum massiv ausgeweitet werden. Die Speicherfristen sollen verlängert werden.

Was hier in Arbeit ist, ist einer der massivsten Angriffe auf den Rechtsstaat, der von denjenigen Kreisen ausgeht, die eigentlich zu dessen Schutz verpflichtet sind. Fortan dürfte es für die politische Linke darauf ankommen, die Verfassung vor den sogenannten Sicherheitsbehörden zu schützen, die diese nach und nach abschaffen. Womit die Gesetzesverschärfungen auch immer im Einzelnen begründet werden, sie gehören vollends abgelehnt. Sie sind der wahre Angriff auf einen demokratischen Rechtsstaat. Wer eine Dauerüberwachung und Militarisierung der deutschen Innen- und Sicherheitspolitik – Stichwort Polizeieinsatz beim G20-Gipfel in Hamburg – ablehnend gegenübersteht, wird schnellstmöglich und offensiv für seine Rechte politisch kämpfen müssen.

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"Im Gleichschritt", UZ vom 29. März 2018



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