Die Frage bleibt weiter unbeantwortet

(Kein) Leben auf der Venus?

Es gibt nicht wenige Science-Fiction-Romane und -Erzählungen über unsere Nachbarplaneten Venus und Mars. Zu den berühmtesten Büchern über die Venus gehören Stanislaw Lems „Planet des Todes“ (1951) und „Atomvulkan Golkonda“ von den Gebrüdern Strugatzki (1959). Lange träumten Menschen davon, dort Leben zu finden, hofften, dass es unter den dichten Wolken vielleicht Sümpfe auf der Oberfläche geben könnte, Dinosaurier wie einst auf der Erde oder gar vernunftbegabte Wesen. Die Venus erfüllte die Erwartungen nicht.

Trotz ihrer dicken Wolkenschicht weiß man heute relativ viel über die „Schwester der Erde“, einen Gesteins-planeten knapp außerhalb der sogenannten habitablen Zone: über den inneren Aufbau, der wahrscheinlich dem der Erde ähnelt, über Vulkanismus und „Landschaften“, über hohen Druck und sehr hohe Temperaturen, Atmosphäre wie Wetter. Beobachtet wird der „Morgen-“ beziehungsweise „Abendstern“ von den Astronomen seit Babylons Zeiten. Galileo Galilei war 1610 der Erste, der die Venus im Fernrohr betrachtete. Er entdeckte die Phasen der Venus und wohl auch ihren Wechsel (ähnlich denen des Mondes), ein Beweis für das heliozentrische Weltbild. Johannes Kepler sagte den Venustransit von 1631 voraus, bei dem die Venus als dunkle Scheibe vor der Sonne zu sehen war – eine Beobachtung, die nicht nur für später folgende Entfernungsbestimmungen in unserem Sonnensystem Folgen hatte. 1761 entdeckte Georg Christoph Silberschlag während eines Venustransits die Atmosphäre des Planeten. 1927 ermöglichten Ultraviolettaufnahmen zum ersten Mal, in der Wolkendecke des Planeten Strukturen zu erkennen, 1932 führte die Spektralanalyse zur Entdeckung von Kohlendioxyd als Hauptbestandteil der Atmosphäre. Radar und Radioastronomie haben seitdem die Beobachtungsmöglichkeiten stark erweitert, vor allem aber der Einsatz von Raumsonden.

Nicht einmal dreieinhalb Jahre nach dem Start von „Sputnik 1“ startete im Februar 1961 die sowjetische Sonde „Venera 1“ zur Venus. Doch die Mission scheiterte. Die US-Sonde „Mariner 2“ war erfolgreicher. Sie entdeckte beim geplanten Vorbeiflug im Dezember 1962 unter anderem, dass der Planet kein Magnetfeld hat. Im Dezember 1970 landete die sowjetische Sonde „Venera 7“ auf dem Planeten. „Venera 9“ (Oktober 1975) sandte unter anderem die ersten Bilder von der Venusoberfläche. Folgenden „Venera“-Sonden gelang es, den Planeten zu kartieren, den Landern, Bodenanalysen vorzunehmen und die Atmosphäre detaillierter zu untersuchen. Im Juni 1985 erreichten die Landeeinheiten der sowjetischen Venussonden „Vega 1“ und „Vega 2“ die Planetenoberfläche. Sie blieben die vorerst letzten Besucher von der Erde. Der Start einer neuen russischen „Venera“-Mission könnte frühestens 2025 erfolgen.

Keine der bisherigen Sonden hat auf unserem Nachbarplaneten jedoch auch nur den kleinsten Hinweis auf Leben gefunden. Doch eine Reihe von Wissenschaftlern gab und gibt die Hoffnung nicht auf. 2002 äußerten die Astronomen Dirk Schulze-Makuch und Louis Irwin von der Universität Texas die Hypothese, dass in der dichten Atmosphäre des Planeten möglicherweise robuste Bakterien leben könnten. Die chemische Zusammensetzung der äußeren Atmosphäre lasse vermuten, dass sich dort etwas Erstaunliches abspiele. Sie stützten sich auf die Daten, die Sonden der sowjetischen Weltraummission „Venera“ beziehungsweise der US-Raumsonde „Pioneer“ geliefert hatten. Kollegen von ihnen entwickelten damals sogar ein – hypothetisches – Modell des Lebenszyklus dieser Bakterien. Im September 2020 meldete ein britisches Forscherteam von der Universität Cardiff, sie hätten das Gas Monophosphan in der Venusatmosphäre entdeckt, dessen Herkunft, so die Autoren, ungeklärt sei. „Wir behaupten nicht, dass wir Leben auf der Venus gefunden haben“, erklärte Ko-Autorin Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology. Das Gas weise zunächst nur auf unbekannte geologische oder chemische Prozesse hin.

Doch inzwischen ist die Freude dahin. Leider war es wohl doch nur ein Auswertungsfehler, der Hoffnungen genährt hat. Die Suche geht weiter.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"(Kein) Leben auf der Venus?", UZ vom 27. November 2020



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