Zu Friedensverhandlungen und der Rolle des Globalen Südens

Nur Baerbock rafft es nicht

Kommt da Bewegung in die Diskussion um mögliche Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine? In der vergangenen Woche war Narendra Modi derjenige, der die Debatte voranzutreiben suchte. Soeben erst zurück von seinem Staatsbesuch in den USA, rief der indische Premierminister Wladimir Putin an. Er berichtete dem russischen Präsidenten über die Gespräche, die er in Washington geführt hatte, und schob dann noch eines nach: dass „der Ukraine-Konflikt“ beendet werden müsse, und zwar mit „Dialog und Diplomatie“. Daran führe, betonte Modi, kein Weg vorbei.

Lange Zeit waren es ausschließlich nichtwestliche Staaten, die sich öffentlich für ein Ende der Kämpfe in der Ukraine und für die Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen den beiden Kriegsparteien einsetzten. Eine Woche vor Modis Telefonat mit Putin hatte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva im Vatikan vorgesprochen, um sich über dessen Vermittlungsversuche zu informieren. Er wollte seine eigenen Bemühungen mit denjenigen des Oberhaupts der katholischen Kirche abstimmen. Wiederum eine Woche zuvor hatte sich eine Delegation aus sieben Staaten Afrikas unter der Leitung des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa nach Kiew und Moskau begeben, um ihrerseits auf Frieden zu dringen. Und schon mehr als vier Monate ist es her, dass China sein 12-Punkte-Papier „zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ vorstellte. An Bemühungen um Frieden mangelt es nicht.

Woran lange Zeit Mangel herrschte, das war die Bereitschaft im Westen, den Krieg zu beenden – und zwar spätestens, seit der damalige britische Premierminister Boris Johnson dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski Ende März 2022 nahelegte, sich nicht auf den mit Moskau fast fertig ausgehandelten Waffenstillstand einzulassen, sondern weiter zu kämpfen, um Russland so empfindlich wie möglich zu schwächen. Schon die Vokabel „Friedensverhandlungen“ galt in Europa und in den USA als Tabu. Außenministerin Annalena Baerbock dozierte noch vergangene Woche hart wie Kruppstahl bei ihrem Besuch in Südafrika, der einzige Weg, den Krieg zu beenden, bestehe darin, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine abziehe. Andernorts wird man inzwischen allerdings flexibler – und zwar in den USA.

In den dortigen Leitmedien blitzt seit einiger Zeit ab und zu die Erkenntnis auf, dass die immensen Kosten, die der Krieg dem US-Etat abverlangt, unpopulär zu werden beginnen. Präsident Joe Biden hat mit Blick auf den herannahenden Wahlkampf ohnehin mit allerlei Problemen zu kämpfen. Für ihn wäre es wohl vorteilhaft, wenn der teure Krieg nächstes Jahr nicht mehr tobte. Am 24. Juni fand in Kopenhagen ein erstes Treffen statt, auf dem die Ukraine und Gastgeber Dänemark mit Repräsentanten der G7 sowie von fünf Staaten des Globalen Südens zusammenkamen, um Friedensverhandlungen anzustoßen; die fünf Staaten des Globalen Südens hatten alle bereits Vermittlungsversuche zwischen Moskau und Kiew unternommen. Konkrete Resultate brachte das Treffen noch nicht, aber man sprach in Kopenhagen über Sicherheitsgarantien nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Russland: ein Zeichen, dass durchaus ernsthaft diskutiert wurde.

Neu dabei war: In Kopenhagen diktierte nicht mehr der Westen den Gang der Dinge. Wollen die USA die Kämpfe in der Ukraine zum Stillstand bringen, werden sie Länder des Globalen Südens wohl als Vermittler akzeptieren müssen. Die Zeiten, in denen der Westen entweder eigene Kriege gewann oder in fremden Kriegen in Afrika, im Nahen und im Mittleren Osten, sofern er Interesse daran hatte, als Schiedsrichter auftrat, sind womöglich vorbei. Der Aufstieg des Südens hat begonnen.

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"Nur Baerbock rafft es nicht", UZ vom 7. Juli 2023



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