Mehr Geld für die Monopole, mehr Sorgen für die anderen

Ökonomische Zuspitzungen

Oben im Salon ist die Laune weiter gut: Die großen, im Deutschen Aktienindex (DAX) angesiedelten Konzerne sind aus Sicht der Anteilseigner nach den Rekordgewinnen und satten Dividendenzahlungen für das Geschäftsjahr 2022 auch in diesem Jahr gut unterwegs. Der DAX, berichtete das „Handelsblatt“ am 16. Juni, habe „die Zinserhöhung der EZB verarbeitet“ und sei „erstmals“ auf die Rekordmarke von 16.400 Punkten geklettert. Der Sekt für die Abschlüsse im ersten Halbjahr 2023 kann also schon mal kaltgestellt werden.

Der deutsche Staat lässt sich nicht lumpen und fördert das Wohlergehen der Monopole nach Kräften. Das geschieht bei einigen indirekt – allen voran bei Rüstungskonzernen, die von der Kriegskonjunktur profitieren. Stolz verkündete der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, kürzlich in einem Interview, dass es bei der Produktion von Panzermunition „kein Problem“ gebe – sein Werk in der Südheide verfüge „über die größte Fertigungskapazität in der Welt“. Außer Munition rollt aus seinen Werken demnächst auch der Nachschub für die an der Ostfront zerschossenen Leoparden. Angesprochen auf die „Verluste deutscher Systeme“ antwortet dieser Profiteur des Krieges lapidar: „Im Leben gibt es immer Verluste“.

Direkt unterstützt werden außer der Rüstungsindustrie alle Konzerne, die am Ziel arbeiten, Deutschland ökonomisch so weit es geht von China abzukoppeln. Die aktuelle Ausgabe der in London erscheinenden Zeitschrift „Economist“ befasst sich mit dem Thema „Undoing business in China“ – und begründet, warum westliche Konzerne Investitionen in China vermeiden sollten. Weil aber von dort nicht nur die meisten Kinderspielzeuge, sondern auch – die chinesische Provinz Taiwan eingeschlossen – praktisch alle Chips kommen, lässt die deutsche Regierung nach einem Gespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Intel-Vorstandschef Pat Gelsinger vom letzten Montag nun 10 Milliarden Euro springen, um den Bau einer Chipfabrik bei Magdeburg zu fördern.

Zunehmendes Gegrummel gegenüber diesem rigiden staatsmonopolistischen Kriegskurs kommt sogar aus der eigenen Bourgeoisie. Veronika Grimm, eine der sogenannten „fünf Wirtschaftsweisen“, ließ sich in der FAZ mit den Worten zitieren: „Es zeigt sich in den letzten Monaten immer wieder, dass man sehr offen gegenüber den Lobbyinteressen der Großindustrie ist“ und fügte hinzu, der „Mittelstand“ falle „dabei hinten runter“. Der fällt zunehmend ins Bodenlose – Mitte Juni teilte das Statistische Bundesamt mit, die Zahl der Firmeninsolvenzen sei im ersten Quartal 2023 um 18,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 4.117 gestiegen.

Noch mehr aber fallen diejenigen „hinten runter“, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft. Entgegen groß herausgestellter einzelner Preissenkungen ist die Teuerungswelle vor allem bei Nahrungsmitteln und Mieten ungebrochen. Die Inflation, kommentiert die FAZ am 17. Juni in aller Offenheit, habe nicht nur Nachteile, „sondern auch Freunde. Das seien etwa Unternehmen, in denen die wirtschaftliche Entwicklung eigentlich Lohnkürzungen erforderlich machen würde – in denen aber die tariflichen und sonstigen rechtlichen Regelungen sinkende Nominallöhne verhinderten. Für solche Unternehmen sei es möglich, in Zeiten hoher Inflation einfach die Löhne nicht so stark steigen zu lassen wie anderswo und so die Reallöhne zu kürzen, ohne dass es auf dem Papier groß auffällt. Im Schnitt, so zeigen die jüngsten Zahlen der Bundesbank, sind die Reallöhne in Deutschland um gut 4 Prozent gekürzt worden, ohne dass man von Lohnsenkungen gehört hätte.“

Diese dramatische Zuspitzung der Polarisierung der Gesellschaft in reiche Monopole auf der einen und verarmende kleine und mittlere Unternehmen und Lohnabhängige andererseits spielt sich ab in einer Volkswirtschaft, die nun schon auf ihr drittes Quartal einer schrumpfenden wirtschaftlichen Aktivität, also einer sich verfestigenden Rezession zusteuert.

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"Ökonomische Zuspitzungen", UZ vom 23. Juni 2023



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