Politische Strategie

Markus Bernhardt im Gespräch mit Heiko Lange

Heiko Lange ist Mitglied des Bundesvorstandes der linken Antirepressionsorganisation Rote Hilfe e. V.

UZ: Vor mehr als einem Jahr hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die linke Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ verboten. Wie bewerten Sie diesen Schritt mittlerweile?

Heiko Lange: Mittlerweile dürfte als sicher angenommen werden, dass es sich bei diesem Schritt nicht nur um einen einzelnen Repressionsschlag gegen die politische Linke gehandelt haben kann. Es gab zwei einschneidende Ereignisse im letzten Jahr, die sich explizit gegen die Linke gerichtet haben.

UZ: Nämlich?

Heiko Lange: Zum einen den bürgerkriegsähnlichen Polizeieinsatz gegen die Gegnerinnen und Gegner des G20-Gipfels in Hamburg und zum zweiten das Verbot von „linksunten.indymedia.org“. Es wurde eine von der politischen Linken ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit herbei fabuliert. Real gab es vor allem flächendeckende Versammlungsverbote und unzählige polizeiliche Übergriffe, die sich gegen Demonstrierende, aber auch Journalistinnen und Journalisten sowie in manchen Fällen Unbeteiligte gerichtet haben. Es ist inzwischen unwidersprochen, dass außerdem sogenannte agents provocateurs von polizeilicher Seite eingesetzt wurden. Die gesamte Polizeistrategie war von vornherein auf Eskalation ausgerichtet.

UZ: Nun dürften Durchschnittsbürger bei manchen Bildern, die sich bei den damaligen Protesten in Hamburg abgespielt haben, auch zu gegenteiligen Schlussfolgerungen kommen, oder nicht?

Heiko Lange: Es ist nicht meine Aufgabe, Protestformen zu kommentieren. Nur sollte man auch den Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht verkennen. Klar ist, sowohl der Polizeieinsatz beim G20-Gipfel als auch das besagte Verbot waren Vorboten der repressiven Polizeigesetze, die nun nach und nach in allen Bundesländern – außer Thüringen – beschlossen werden, oder schon beschlossen worden sind.

UZ: Gegen mehrere Journalistinnen und Journalisten, die zur Solidarität mit „linksunten.indymedia.org“ aufgerufen hatten, wird aktuell vom Berliner Landeskriminalamt wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittelt …

Heiko Lange: Das wundert mich nicht. Das Verbot von „linksunten.indymedia.org“ ist als solches ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Und mit der Pressefreiheit für linke Journalisten hat man es bekanntlich während des G20-Gipfels – gelinde gesagt – auch nicht so genau genommen. Ebenso war es bei Polizeieinsätzen gegen Pressevertreter bei den Pegida-Aufmärschen in Sachsen, oder auch bei der Pressekonferenz von Erdogan und Merkel vor wenigen Tagen, aus der ein Journalist heraus von Sicherheitskräften abgeführt wurde. Und eben dieser offensichtliche Abbau, zumindest noch auf dem Papier, verbriefter Rechte ist doch nicht zu übersehen. In Sachsen sollen, sollte sich die Landesregierung aus CDU und SPD mit ihren Plänen durchsetzen, im Rahmen des neuen Polizeigesetzes auch die Möglichkeiten ausgebaut werden, zu Recht besonders geschützte Berufsgruppen wie Journalisten und Ärzte ausspionieren zu können. Von den Verschärfungen der Polizeigesetze sind keineswegs nur potentielle Demonstrantinnen und Demonstranten und Fußballfans betroffen. Diese Gesetze stellen eine Gefahr für jeden Verfassungsstaat dar, der sich demokratisch nennt. Mit der Verabschiedung dieser Gesetze gehören Rechtsstaat und grundgesetzlich verbriefte Rechte faktisch der Vergangenheit an.

UZ: Übertreiben Sie nun nicht etwas?

Heiko Lange: Überhaupt nicht. Lesen Sie sich die geplanten Gesetze genau durch. Der Bürgerrechtsverein Digitalcourage e. V., hat die Bevölkerung erst kürzlich aufgerufen, an Demonstrationen gegen die Polizeigesetze teilzunehmen und so ein Zeichen „gegen Wahrscheinlichkeitsjustiz, Prognosepolizei, Politik der Angst und die Verschärfung der Polizeigesetze“ zu setzen. Und schauen Sie mal, wie aktuell friedliche Braunkohlegegner und Umweltschützerinnen im Hambacher Forst drangsaliert und kriminalisiert werden. Dies passiert unter der rigiden Führung des NRW-Landesinnenministers Herbert Reul (CDU), der sich nicht scheut, polizeistaatliche Mittel anzuwenden und vom WDR erst kürzlich der Lüge überführt wurde. Er trägt die politische Verantwortung für den Todesfall und Schwerverletzte im Hambacher Forst. Ein solcher Herr ist charakterlich nicht einmal geeignet, den Straßenverkehr zu regeln. Dieser Mann ist einer der schlimmsten Innenminister, den NRW jemals hatte. Er ist mit einigem Abstand der wirkliche Verfassungsgegner dieser Tage und gehört umgehend entlassen.

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"Politische Strategie", UZ vom 5. Oktober 2018



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