Im Norden wird über Anpassung an Öffentlichen Dienst verhandelt

Tarifvertrag bei Kirchen und Diakonie

Von Carmen Peters

Die ersten Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und der evangelischen Kirche zur Erneuerung des Tarifvertrags sind beendet. Der bestehende „Kirchliche Tarifvertrag Diakonie in Hamburg und Schleswig-Holstein (KTD)“ zwischen dem Verband diakonischer Anstellungsträger Nordelbien und den Gewerkschaften Diakonie und Kirche, IG BAU und ver.di wurde in dieser außerordentlichen Runde strukturell verändert. Nachdem in den letzten Tabellenverhandlungen von ver.di gefordert worden war, die Eingruppierung der größten Gruppe der Beschäftigten, nämlich Erzieher, Heilerzieher und Krankenpfleger, dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes anzupassen, erklärten sich die Arbeitgeber dazu bereit, über die Neustrukturierung zu verhandeln.

Der größte Arbeitgeber in diesem Kreis, die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA), hat ihren Schwerpunkt in der Behindertenhilfe, zählt neben ihren 17 Tochtergesellschaften, u. a. eine eigene Zeitarbeitsfirma, aber auch Einrichtungen ganz anderer Art wie Schulen oder ein Beratungszentrum. Mit etwa 60 Prozent aller Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst sah sich der Arbeitgeber gezwungen, der Abwanderung qualifizierten Personals entgegenzuwirken. Ein erster Schritt war bereits die Öffnung der Stellen für Nicht-Kirchenmitglieder. Der zweite Schritt sollte zum Ziel haben, auch finanziell attraktiver zu werden.

Die beiden Seiten einigten sich darauf, Gehaltstabellen in Abteilungen zusammenzufassen, die bisher eine nach der anderen verhandelt werden. Die Abteilungen werden durch die Art ihrer Refinanzierung kategorisiert. Am dringlichsten ist das bei der Abteilung Erziehungs-und Sozialdienst, mit der jetzt der Anfang gemacht wurde. Das Ergebnis sieht für diese Abteilung eine Lohnsteigung von bis zu über 5 Prozent vor. Hinzu kommt die Schaffung neuer Eingruppierungsstufen sowie eine mögliche Durchlässigkeit der Gruppen. In welche Gruppe man zukünftig eingestuft wird, hängt nicht mehr allein von der Tätigkeit ab, sondern lässt sich durch berufliche Erfahrung und Fähigkeiten steigern. Anhand welcher Kriterien Fähigkeiten anerkannt werden, bleibt allerdings offen. Ebenso gilt diese Regelung nicht automatisch und für alle, sondern der Beschäftigte muss sie selbst einfordern.

Unklar ist, wie viele der Ungelernten und Fachfremden sich so tatsächlich eine Höhergruppierung verschaffen können und welche Maßnahmen dazu notwendig sind. Außerdem wurde für die Beschäftigten des Erziehungs- und Sozialdienstes eine fünfte Stufe eingerichtet, die ab 20 Jahren Betriebszugehörigkeit mehr Geld bringt. Nachdem im Vorfeld die Aussage des Vorstandes der ESA, nach 18 Jahren sei man nicht mehr entwicklungsfähig, zu großer Aufregung geführt hatte, konnte in diesen Verhandlungen zumindest für alle ab der Eingruppierung ES7 eine zusätzliche Stufe herausgeschlagen werden.

Wenn auch die Ergebnisse auf den ersten Blick so wirken, als wären sie ein Grund zum jubeln, da sie für einige Beschäftigte eine deutliche finanzielle Aufwertung bedeuten, kommen einem bei näherer Betrachtung doch Zweifel über den Erfolg der Verhandlungen. Denn die Organisation der ohnehin schlecht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in kirchlichen Unternehmen wird durch diese Methode weiter geschwächt. Die Spaltung zwischen verschiedenen Einrichtungen wird durch die separaten Verhandlungen vorangetrieben. Innerhalb der Abteilungen wird die Kluft zwischen den ohnehin kleinen Gruppen größer und am Ende heißt es dann: „jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“. Eine Vereinzelung findet außerdem dadurch statt, dass durch diese neuen Regelungen gegebenenfalls innerhalb eines Unternehmens, sogar innerhalb einer Einrichtung, Beschäftigte unter verschiedene Abteilungen fallen. Die Formulierungen des Tarifvertrags sind zum Teil sehr schwammig und lassen viel Raum für Interpretationen. Die ver.di-Vertrauensleute der ESA, sowie ihre Mitarbeitervertretungen machen sich fit für die ersten Auseinandersetzungen um höhere Eingruppierungen und stellen sich auf viel Aufklärungsarbeit ein.

Für alle außerhalb des Erziehungs- und Sozialdienstes wird es vorerst eine Erhöhung um 2,2 Prozent ab dem 1.1.2018 geben. Die nächsten Verhandlungen über die Abteilung der Pflegekräfte sind bereits angelaufen.

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"Tarifvertrag bei Kirchen und Diakonie", UZ vom 1. Dezember 2017



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