Modernisierungen machen Wohnen teurer

Vonovias Goldgrube

Von Siw Mammitzsch

Der Bundestagswahlkampf läuft auf Hochtouren, nur die Wohnungspolitik spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Und das, obwohl tausende Menschen in unserem Land von den ständig steigenden Mieten betroffen sind.

Der Stadtteil Katernberg im Essener Norden zählte bislang nicht gerade zu den trendigen Stadtteilen mit hippen Lokalen und Gentrifizierung. Geprägt ist dieser Arbeiterstadtteil vom Bergbau, hoher Arbeitslosigkeit, vielen Nationalitäten und ergrauten Häuserzeilen aus den 50er und 60er Jahren. Aber selbst in diesen Vierteln haben Vonovia, LEG und andere Firmen Goldgruben ausgemacht. Die Bodenschätze liegen nicht unter, sie stehen auf der Erde. Mit Hilfe des Modernisierungsparagraphen 559 BGB bereichern sich die Immobilienfirmen in der Breite auch in den sogenannten B- und C-Lagen. Etwa 400 Modernisierungen in einer einzigen Siedlung führt Vonovia derzeit durch. Saftige Mieterhöhungen sind die Folge. Für viele unbezahlbar. In Katernberg herrscht Verunsicherung, aber auch Wut. Bei einer Mieterversammlung mit Vonovia-Vertretern im Mai wurde es so laut, dass die Veranstaltung nach einer Stunde abgebrochen werden musste.

Wenn wir als Kommunisten an dieser Stelle mit der Frage von Grund und Boden bei den Mieterinnen und Mietern aufschlagen, so ist sie zwar richtig, kann aber nicht das Spannungsfeld zwischen Individualinteressen des Einzelnen und Massenwirksamkeit bedienen. Dass das Privateigentum das Grundübel der Ausbeutung in allen Ausprägungen ist, ist zu weit weg von der Lebensrealität der Betroffenen. Zwar betreibt der Deutsche Mieterbund entsprechende Lobbyarbeit und fordert ebenfalls die langfristige Streichung des § 559 BGB, den notwendigen Druck von der Straße erhöht das nicht. Die Lobbyarbeit der Vermieter zeigt größere „Erfolge“, eine solche Goldgrube will man sich ungern verschließen lassen.

Eigentlich alle großen und mittleren Wohnungsunternehmen unterschiedlicher Couleur haben mittlerweile festgestellt, dass Modernisierungen sich für die Steigerung der Profite aus der Miete besonders gut eignen, auch in weniger bevorzugten Lagen. 11 Prozent der Kosten einer Modernisierung können pro Jahr auf die Miete umgelegt werden. In vielen Fällen werden dann plötzlich 2 bis 3 Euro pro Quadratmeter mehr Miete fällig, im Rahmen von Luxussanierungen auch deutlich mehr. Das ist zwar Bundespolitik, aber auch Lokalpolitiker freut dies, sehen sie doch allein den Vorteil, dass der Stadtteil endlich aufgewertet wird, mehr solvente Mieterinnen und Mieter einziehen. Daneben hat die neue Landesregierung in NRW angekündigt, alle Fortschritte zum Schutz der Mieter, die in den letzten Jahren erreicht wurden, abzuschaffen – sozusagen die Fortsetzung des fatalen wohnungspolitischen Kurses der letzten schwarz-gelben Regierungskoalition unter Rüttgers.

Mittlerweile werden ganze Siedlungen modernisiert, deren Bewohnerschaft ursprünglich günstige Mieten zu zahlen hatte. Dieser bezahlbare Wohnraum fällt zukünftig weg. Mit dem ständig sinkenden Bestand an Sozialwohnungen führt das dazu, dass immer mehr Menschen ernsthafte Probleme haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zwar lässt das Mietrecht Widersprüche wegen sozialer Härte zu, deren Durchsetzungsfähigkeit ist aber eng begrenzt.

Die Profite dagegen sind enorm. Bei 11 Prozent Umlage pro Jahr, haben die Wohnungsgesellschaften ihre Investitionen bei der derzeitigen Zinslage nach etwas mehr als 10 Jahren komplett wieder raus. Danach bleibt die Miete hoch, es entsteht ein satter Reingewinn. Diesen riesigen Widerspruch zwischen der individuellen Katastrophe auf der einen Seite und den riesigen Profiten auf der anderen Seite verstehen die Menschen sehr schnell. Jahrelang wurde an ihren Wohnungen gar nichts getan.

Für die Mieter bleibt daher kaum eine andere Wahl, als für die Abschaffung des dafür verantwortlichen § 559 BGB zu streiten. Mit dem Kampf um die Abschaffung drängt sich die Frage nach der Beschränkung von Profiten zwangsläufig auf und wir sind mitten in der Debatte über gesellschaftliche Alternativen, inklusive der nach dem Privateigentum an Grund und Boden. Genau da wollen wir hin. Dann ergeben sich die weiteren Forderungen z.B. nach mehr sozialem Wohnungsbau ohne Bindungsende und einer Wohnraumversorgung durch die öffentliche Hand.

Der Wohnungs“markt“ versagt, und zwar permanent. Folglich gehört auch das Eigentum an Grund und Boden in öffentliche Hand.

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"Vonovias Goldgrube", UZ vom 15. September 2017



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