Bürgerbegehren in Osnabrück am 26. Mai

Vonovia verdrängen

Von Lars Mörking

Lange Zeit gehörte Osnabrück zu den Städten, in denen Wohnen verhältnismäßig günstig war. In Osnabrück zu wohnen und zum Beispiel ins 60 Kilometer entfernte Münster zu pendeln, war für viele Studierende und Lohnabhängige notwendiges Übel. Münster war einfach zu teuer.

In den letzten sechs Jahren sind die Mieten in Osnabrück laut städtischem Mietpreisspiegel um 16 Prozent gestiegen. Das Portal „Immobilienscout 24“ gibt sogar an, dass es in diesem Zeitraum im Schnitt 25 Prozent gewesen seien. Wer neu in die Stadt ziehen will, muss auf das Umland ausweichen, um bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch hier sind die Mietpreise entsprechend gestiegen, teilweise um mehr als 20 Prozent. Und wer eine günstige Wohnung im Umland findet, bekommt Probleme mit dem Weg in die Stadt – der tägliche Stau auf den Einfahrtsstraßen nach Osnabrück frisst immer mehr Zeit, die Privatbahnen sind eine teure und unzuverlässige Alternative.

Wer eine bezahlbare Wohnung in der Stadt hat, schätzt sich glücklich und tut einiges dafür, die Wohnung behalten zu können. Doch private Vermieter versuchen, mit energetischen Sanierungen auch bei ihnen die Mieten hochzutreiben. So hat zum Beispiel Vonovia, der größte Vermieter von Wohnungen in Osnabrück mit 3 926 Wohnungen, 543 davon allein im letzten Jahr saniert. Die Kosten für die Dämmung von Fassaden oder den Austausch von Fenstern wurden gesetzestreu auf die Mieten umgelegt. Die Folge waren Mieterhöhungen von bis zu 3 Euro pro Quadratmeter und Monat. In einigen Fällen machte dies eine Mieterhöhung von 47 Prozent aus. Vonovia-Sprecherin Bettina Brenner sah gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ darin kein Problem. Es gebe keine Anzeichen für eine zu hohe Preislage bei den Vonovia-Wohnungen.

Vonovia verweist immer wieder darauf, dass der Konzern legal handele und sich nach dem Markt richte. Das stimmt in der Regel, aber es gibt Ausnahmen. Vonovia versuchte unter anderem, über eine Tochterfirma drei- bis viermal zu hohe Kosten für eine neue Heizungsanlage abzurechnen und auf die Mieter umzulegen. Aber es hilft nichts, sich über das unmoralische Geschäftsgebaren eines Immobilienkonzerns zu ereifern, der nun einmal mehr Profit macht, wenn er die Mieten in die Höhe treiben kann.

Das Osnabrücker Bündnis für bezahlbaren Wohnraum tritt deshalb für eine kommunale Wohnungsgesellschaft ein. Für ein entsprechendes Bürgerbegehren wurden 13 500 Unterschriften gesammelt. Das sind deutlich mehr als erforderlich (10 Prozent der Wahlberechtigten). Die Stimmung bei den Infoständen zum Bürgerbegehren kann mit „Endlich passiert mal was“ zusammengefasst werden. Die Lage ist für viele, die sich derzeit auf Wohnungssuche befinden, dramatisch. „Ich finde nichts“, hieß es immer wieder.

Dass die Wohnungsgesellschaft spürbar etwas verändern wird, ist allerdings noch lange nicht klar. Die Abstimmung zum Bürgerbegehren wird am 26. Mai – also parallel zur EU-Wahl – stattfinden. Bei einem Erfolg steht die Frage nach der Ausstattung der kommunalen Wohnungsgesellschaft. Das Bündnis, das die Wohnungsgesellschaft fordert, wird von einem Spektrum getragen, das von der DKP bis zur SPD reicht. Die SPD betrieb in der Vergangenheit eine Politik, die auf Anreize für private Investoren und Privatisierung setzte. Unter SPD-Kanzler Schröder wurden unter anderem 82000 der BfA/Gagfah verkauft. Auch in Niedersachsen ist die SPD als Regierungspartei (bis 2003 und seit 2013) für die herrschende Wohnungsnot maßgeblich verantwortlich.

Die Frage nach der Ausstattung der Wohnungsgesellschaft wirft die Frage auf, wo denn Neubau überhaupt möglich ist. Die Debatte um die Nutzung freier Grünflächen ist bereits in vollem Gange. Leerstand muss erfasst und genutzt werden, wobei auch die höheren Preissegmente in den Blick genommen werden müssen. Auch ist über die Umwidmung von Gebäuden nachzudenken – auch da gibt es Leerstand bei Geschäfts- und Bürogebäuden. Und dann die große Frage, ob und wie der Vonovia Wohnungen abgenommen werden können. Enteignen? Kaufen? Zu welchem Preis? Vonovia dürfte nichts dagegen haben, die billig erworbenen Wohnungen teuer wieder zu verkaufen. Eine Aufgabe der DKP wird sein, der Vonovia nicht auch noch den Rückzug aus dem Osnabrücker Wohnungsmarkt mit Geld aus der Stadtkasse zu vergolden.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Vonovia verdrängen", UZ vom 5. April 2019



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