Zu Feindbestimmung und Unvernunft der US-Regierung

Washington im Kriegsmodus

US-Außenminister Antony Blinken hat in einer Rede in der George-Washington-Universität in Washington, D. C., eine politische Neuorientierung des „kollektiven Westens“ angedeutet. Es geht nun gegen die Volksrepublik China.

Blinken griff in seiner Rede am 26. Mai voll in den Rhetoriktopf, um die edlen Anliegen des US-Imperiums zu begründen. Er bemühte die UN-Charta von 1945, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Die Biden-Regierung habe „die Diplomatie wieder in das Zentrum der amerikanischen Außenpolitik“ gerückt. Man wolle eine Zukunft, „in der Technologie dazu dient, Menschen aufzurichten, nicht, sie zu unterdrücken; in der Wirtschaft und Handel Arbeiter unterstützen, Einkommen steigen und Möglichkeiten entstehen lassen; in der allgemeine Menschenrechte respektiert werden; Länder sicher sind vor Nötigung und Aggression und wo Menschen, Ideen, Güter und Kapital sich frei bewegen können und wo Nationen sowohl ihrem eigenen Weg folgen als auch effektiv zusammenarbeiten können in der Verfolgung der gemeinsamen Sache“. Es lässt sich kaum eine Beschreibung denken, die weiter von der US-amerikanischen Politik und Realität entfernt ist.

Für diese „regelbasierte internationale Ordnung“ verkörpere „Russlands Präsident Wladimir Putin gegenwärtig eine klare Gefahr“. Mit seiner Attacke gegen die Ukraine habe er die „Prinzipien der Souveränität und territorialen Integrität attackiert“. Aber selbst wenn Putin seinen Krieg fortsetze, werde die Biden-Regierung auf „die gravierendere langfristige Herausforderung der internationalen Ordnung“ fokussiert bleiben, und die werde „verkörpert durch die VR China“.

Verbal ist Antony Blinken durchaus bereit zu akzeptieren, dass diese „Fokussierung“ auf die VR China nicht so simpel ist. China ist de facto längst zur größten Produktionsmaschine der Welt aufgestiegen. Zwar kann das US-Imperium weiterhin auf ein nominal höheres Bruttoinlandsprodukt verweisen, welches real allerdings vor allem durch das gigantische parasitäre Wall Street Casino aufgeblasen ist. Schon Donald Trump musste erkennen, dass Wirtschaftskriege gegen diese ökonomische Supermacht keineswegs „leicht zu gewinnen“ sind. Daher läuft der faktische Neuansatz der „demokratischen“ Neocons auf militärische Provokationen hinaus, deren materiellen Folgen im Konfliktfall die Ökonomien der Europäer zu tragen haben. Wie im Ukraine-Konflikt zu sehen ist, mit gravierend-destruktiven Konsequenzen.

Wenn durch die „westlichen“ Propagandamaschinen bereits die Notwendigkeit einer „Abkoppelung von China“ popularisiert wird, wird klar, dass es sich hier nicht um Gedankenspiele handelt. Die Anti-Russland-Kampagne hat sich als gigantischer Fehlschlag erwiesen. Sie wird, nach allem, was zu sehen ist, mit einer desaströsen Niederlage des US-gestützten und -finanzierten Marionettenregimes in Kiew enden. In Taiwan gibt es keine Souveränität, keine territoriale Integrität, die es, wie US-Präsident Biden erklärte, militärisch zu verteidigen gilt. Taiwan ist Teil Chinas. Hier gibt es nur eine Souveränität und territoriale Integrität Chinas, für welche die Volksbefreiungsarmee im Zweifel auch entschlossen kämpfen wird.

Nach dem Desaster in der Ukraine, dem Desaster in Afghanistan, im Irak und Iran, in Syrien, Libyen, Venezuela …, nach dem kompletten Scheitern des „Greater Middle East“-Konzeptes nun eine weitere Front, ein weiteres Desaster in Taiwan? Man kann sich nur wundern, in welchem Ausmaß den Damen und Herren, welche die Amtsstuben des „kollektiven Westens“ bevölkern, offenbar auch noch ihr letztes bisschen Restvernunft abhanden gekommen ist.

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"Washington im Kriegsmodus", UZ vom 3. Juni 2022



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