„Die Bundeswehr will unbedingt bleiben“

Christoph Hentschel im Gespräch mit Tobias Pflüger

Der Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger (Die Linke) besuchte Afghanistan. Seine Eindrücke aus dem Land, in dem seit 17 Jahren die NATO-Staaten Krieg führen, schilderte er unserer Zeitung.

UZ: Du warst jetzt in Afghanistan und hast das Camp Marmal in Masar-e Scharif besucht. Warum warst du dort?

Tobias Pflüger: Am 31. März entscheidet der Bundestag darüber, ob das Mandat der Bundeswehr verlängert wird. Ich war mit einigen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses dort, um zu einer Einschätzung zu kommen. Dazu hatten wir Gespräche mit verschiedenen Einheiten der Bundeswehr, aber auch mit afghanischen Offiziellen wie dem Gouverneur und einem General der afghanischen Streitkräfte, sowie mit den Polizeieinheiten von Masar-e Scharif. Ursprünglich war ein Besuch in Kabul geplant. Der musste aber aufgrund von Sicherheitsbedenken gestrichen werden.

Meine politische Bewertung ist die, dass im Moment sich die Bundeswehrführung sehr um eine Mandatsverlängerung bemüht. Ihr Problem ist, dass sie nicht genau wissen, was eigentlich von Seiten der USA passiert. Trump hat den Abzug angekündigt, es später aber wieder relativiert. Nach allen Informationen, die wir vor Ort bekommen haben, läuft es auf einen Teilabzug hinaus. Einheiten, die eher nicht kampforientiert sind, sollen zurückgeholt werden.

UZ: Warum hängt die Bundeswehr so sehr am Afghanistan-Einsatz?

Tobias Pflüger: Das hat zwei Gründe. Der eine Grund ist ein symbolischer. Das ist der Einsatz, der am umstrittensten in der ganzen Debatte in der Bundesrepublik war. Deshalb will man den unbedingt weiterführen, um zu zeigen, dass das alles so toll war, was man da macht.

Der zweite Grund ist der, dass die Bundeswehr dort eine relativ zentrale Rolle spielt. Der Norden Afghanistans wird von der Bundeswehr kontrolliert. Alle anderen Regionen Afghanistans sind zwischen den Taliban und den USA und ihren Verbündeten umkämpft. Diese Machtposition will die Bundeswehr nicht aufgeben.

UZ: Die US-Regierung und die Taliban verhandeln währenddessen. Welche Auswirkungen haben die Gespräche?

Tobias Pflüger: Der US-Vermittler Zalmay Khalilzad hat inzwischen Gespräche mit den Taliban in Doha geführt. Im Moment sieht es so aus, dass wohl alle damit rechnen, dass diese Gespräche zu irgendeinem Ergebnis führen werden. Jede Seite will sich jetzt eine möglichst gute Position auf dem Gefechtsfeld erarbeiten. Daher sind die Kampfhandlungen so heftig wie noch nie.

Ich habe gerade in meiner Funktion als Vorsitzender der Parlamentariergruppe Südasien mit dem afghanischen Vizeaußenminister Gespräche geführt. Der signalisierte mir, dass sie die Gespräche zwischen den USA und den Taliban wohlwollend begleiten, obwohl sie gar nicht direkt involviert sind.

UZ: Welche Rolle spielt da die Bundeswehr?

Tobias Pflüger: Die Rolle der Bundeswehr ist ein bisschen skurril. Offiziell sind ja alle Einheiten, die die Bundeswehr schickt, reine Berater. Die Form des Einsatzes ist aber kolonial. Man berät offiziell, aber de facto ist es so, dass man den afghanischen Polizei- und Militäreinheiten, die man ausbildet, sagt, was sie zu tun haben.

Der Begriff „Ausbildung“ ist dabei sehr großzügig interpretiert. Es geht tatsächlich um direkte Begleitung der afghanischen Einheiten, bei den Spezialkräften auch in Kampfaktionen. Die Polizeieinheiten sind eigentlich nichts anderes als nicht-militärische Milizen.

Ich habe insgesamt den Eindruck, die Bundeswehrführung hat Angst, dass ihr Einsatz in sich zusammenbricht, wenn die US-Truppen vollständig abgezogen werden würden. Deshalb war es ihnen sehr wichtig, uns alles möglichst positiv darzustellen.

UZ: Wie schätzt du die Lage in Afghanistan ein?

Tobias Pflüger: Es gab Parlamentswahlen, die in einer Reihe von Regionen gut durchgeführt wurden. Gleichzeitig haben in anderen Provinzen die Wahlen gar nicht stattgefunden oder die Ergebisse wurden vorübergehend annulliert. Man weiß jetzt nicht genau, wie die Mandatsträger an ihre Mandate gelangt sind.

Bald kommt die Präsidentschaftswahl, bei der 18 Kandidaten gegeneinander antreten. Davon sind drei relevant – Aschraf Ghani, der bisherige Präsident, Mohammed Haneef Atmar, der bisherige Chef des Nationalen Sicherheitsrats, und Abdullah Abdullah, der bisherige Regierungschef. Abdullah hatte bei der letzten Präsidentschaftswahl 2014 genauso viele Stimmen wie Ghani. Damals gab es dann den Deal, dass sie mit verschiedenen Funktionen die Regierung stellen.

Im Moment sortiert sich, wer wen unterstützt. Spannend wird sein, ob die Wahl dann ähnlich chaotisch abläuft wie die Parlamentswahl. Die Bundeswehr hat 2014 die ganze Logistik für die Wahlen im Norden übernommen. Das ist diesmal nicht mehr der Fall. Man überlässt das den Afghanen. Die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban sowie die Wahlen bestimmen neben der aktuellen Gefechtslage vor Ort die Lage.

Die Bundeswehr versucht sich da irgendwie einzuordnen und kämpft darum, dass sie unbedingt bleibt. Meine Position und die der Partei „Die Linke“ bleibt klar: Die Bundeswehr muss abgezogen werden.

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"„Die Bundeswehr will unbedingt bleiben“", UZ vom 8. Februar 2019



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