Zur Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock

Grüner Falke

Joachim Guilliard

Mit Annalena Baerbock eine junge, unideologisch wirkende Frau ins Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel zu schicken, war sicherlich eine clevere Entscheidung. Indem sie Klimaschutz zur Hauptaufgabe unserer Zeit erklärt, kann sie sich breiter Zustimmung sicher sein. Wenn sich allerdings bei einer Umfrage der „WirtschaftsWoche“ unter 1.500 Führungskräften eine Mehrheit für sie als neue Kanzlerin ausspricht, so befürchten diese offensichtlich nicht, dass die Wirtschaft später die Zeche dafür zahlen muss. Sie scheinen sich sicher, dass die Interessen des Kapitals bei ihr in besten Händen liegen.

Auch wenn die grüne Kanzlerkandidatin auf viele etwas unbedarft und ohne ausgeprägtes Profil wirkt, steht sie außenpolitisch für einen aggressiven, eng an Washington angelehnten Kurs. Selbst innerhalb der Grünen, die sich zu den eifrigsten Verfechtern eines westlichen Menschenrechtsimperialismus entwickelt haben, zählt sie zu den Falken.

Sie fordert mehr Geld für die Bundeswehr, mehr Auslandseinsätze und eine stärkere Militarisierung der EU. Ihr klares Ziel: die Verteidigung westlicher Vorherrschaft, die sie zum „Wettstreit der Systeme: autoritäre Kräfte versus liberale Demokratien“ erklärt. Dem zum stärksten Rivalen aufgestiegenen China will sie dabei „mit Dialog und Härte“ begegnen. Auch die Klimapolitik soll dazu dienen, die chinesische Konkurrenz in einer „transatlantischen Klimapartnerschaft“ mit den USA zurückzudrängen. Aggressiver noch ist ihre Haltung gegenüber Russland. Die jüngste Zuspitzung des Konflikts in der Ukraine nutzte sie, um erneut für einen noch härteren Kurs und schärfere Sanktionen zu trommeln. Vor allem drängt sie auf einen Baustopp von „Nord Stream 2“. Die Pipeline richte sich gegen die „geostrategischen Interessen der EU“, „destabilisiere die Ukraine“ und „konterkariere den klaren Russlandkurs auf EU-Ebene“.

Als die Grünen den Vizekanzler stellten, folgten mit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien die erste deutsche Beteiligung an einem Angriffskrieg und mit der Agenda 2010 die Schleifung der Sozialsysteme und der Abstieg zum Billiglohnland. Und damals gab es unter den Grünen noch einige Linke. Unter einer grünen Kanzlerin könnten diese üblen Resultate noch getoppt werden.

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"Grüner Falke", UZ vom 30. April 2021



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