Über die Schwierigkeiten objektiver Berichterstattung

Informationen unerwünscht

10 08 Telegr - Informationen unerwünscht - Kriege und Konflikte, Medienkritik, Ukraine - Internationales

„Die Informationen können nicht unabhängig überprüft werden“ – diesen Satz hängen von „FAZ“ bis „Deutschlandfunk“ momentan all diejenigen ihren Berichten an, die ihrer Rolle in der Propaganda einen Hauch von Seriosität verleihen wollen. Oft wirken sie in diesem Versuch unfreiwillig komisch – schon allein Wahl und Art der Überschrift machen klar, dass es an einer objektiven Berichterstattung wenig bis kein Interesse gibt.

Seit vergangenem Freitag ist die Möglichkeit für eine halbwegs objektive Berichterstattung auch für diejenigen, die daran ein Interesse haben, deutlich eingeschränkt. Denn zu dieser Berichterstattung gehört, nicht nur ungefiltert die Pressemitteilungen der ukrainischen Regierung abzuschreiben, sondern sie mit den Angaben der Russischen Föderation und der Volksrepubliken des Donbass abzugleichen und die Gegenposition darzustellen.

Bereits seit Beginn des Krieges ist die Internet-Seite des Kreml von Deutschland aus nicht mehr zu erreichen, die Seiten der Duma und der Nachrichtenagenturen „TASS“ und „Interfax“ sind immer wieder über längere Zeiträume nicht aufrufbar. Cyberattacken vermutlich, die Seiten laden und laden, bauen sich aber nicht auf. Zwischendurch hat man Glück, wann das ist, ist nicht abschätzbar.

Gleichzeitig haben sich Deutschland und die EU „Sputnik“ und „RT“ vorgenommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündete die Marschrichtung: „Wir werden nicht zulassen, dass Kreml-Apologeten ihre giftigen Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg verbreiten oder die Saat der Spaltung in unserer Union säen.“ Die Telekom bewies am Freitag vorauseilenden Gehorsam, wer sein Internet über sie bezieht, ist von der deutschen und englischsprachigen Ausgabe von „rt.com“ abgeschnitten, Abhilfe schaffen nur ein VPN-Tunnel oder der Tor-Browser. Wer den Telegram-Kanal von „RT“ aufrufen will, bekommt die Nachricht: „Dieser Kanal kann nicht angezeigt werden, weil er gegen lokale Gesetze verstößt.“ Die Berichterstattung im „Liveticker zum Ukraine-Krieg“ umfasst bei „RT“ Nachrichten der ukrainischen Regierung, der russischen und der der Volksrepubliken genauso wie Agenturmeldungen von „dpa“ über „Reuters“ bis „Interfax“. Wenn man sie liest, hat man die Chance, sich – soweit dies aus der Ferne möglich ist – ein ausgewogenes Bild der Situation zu machen. In Deutschland ist das nicht mehr gewünscht. Wer diejenigen, die auf die Rolle der NATO hinweisen, als Teile „russischer Netzwerke“ diffamiert, hat kein Interesse an informierten Journalisten.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Informationen unerwünscht", UZ vom 11. März 2022



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