UZ-Gespräch mit Ronja Fröhlich über die „Münchner Sicherheitskonferenz“ und die Militarisierung in Deutschland

„Keiner soll entkommen“

Während die Zeichen auf Eskalation stehen und der deutsche Imperialismus erneut Weltmacht-Ansprüche stellt, kämpft die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) für Frieden und eine bessere Zukunft. UZ sprach mit Ronja Fröhlich, Mitglied im Bundesvorstand der SDAJ und im Anti-SiKo-Bündnis, über die „Münchner Sicherheitskonferenz“, die Auswirkungen der Militarisierung auf Jugendliche und die Schwerpunkte der SDAJ in diesem Jahr.

UZ: An diesem Wochenende findet die 60. Ausgabe der sogenannten „Münchner Sicherheitskonferenz“ (SiKo) statt. Glaubt man dem SiKo-Chef Christoph Heusgen, soll es um Diplomatie und Austausch gehen. Worum geht es wirklich?

Ronja Fröhlich: Die Sicherheitskonferenz schreibt auf ihrer Website, der diesjährige Schwerpunkt sei die „Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung“. Dabei ist klar, dass, wenn Heusgen von Diplomatie und Austausch spricht, es nicht um Friedensverhandlungen geht, sondern um den politischen und militärischen Kampf der NATO-Staaten unter Führung der USA gegen den eigenen Abstieg beziehungsweise gegen den Aufstieg des „systemischen“ Konkurrenten: der Volksrepublik China. Was das bedeutet, sehen wir unter anderem an der Kriegsvorbereitung im Südchinesischen Meer. US-Militärexperten haben ja bereits vom Krieg gegen die Volksrepublik China im nächsten Jahr gesprochen. Die Eskalation gegenüber Russland wird mit dem NATO-Manöver „Steadfast Defender“ ein weiteres Mal verschärft. Gleichzeitig nutzt der deutsche Imperialismus die SiKo als Bühne, um sich als starker Partner der USA für den Kampf an der NATO-Ostflanke zu präsentieren und dabei auch die eigene Militarisierung medial zu vermarkten und weiter voranzutreiben. Letztes Jahr hat Scholz auf der SiKo beispielsweise nicht nur für mehr Waffenlieferungen in die Ukraine geworben, sondern auch die „Zeitenwende“ und damit verbunden die größte Aufrüstung der BRD seit 1945 gerechtfertigt.

UZ: Die SDAJ ruft zu Protesten auf. Was ist in diesem Jahr die Hauptstoßrichtung im Bündnis und für euch als Verband?

Ronja Fröhlich: Die Proteste sind zum einen klar gegen den deutschen Imperialismus, als unserem Hauptfeind, und seine Großmachtambitionen gerichtet. Konkret stellt sich der Aufruf des Bündnisses gegen Waffenlieferungen und Hochrüstung, gegen die rechte Asylpolitik der EU und spricht sich für mehr Investitionen in Soziales, Gesundheit, Klimaschutz, ÖPNV und Bildung aus. Gleichzeitig richtet sich der Aufruf gegen die NATO als Hauptkriegstreiber, stellt sich dabei klar gegen das NATO-2-Prozent-Ziel und fordert unter anderem Kooperation statt Konfrontation, die Schließung von US- und NATO-Stützpunkten in Deutschland sowie den Abzug aller US-Atomwaffen.

Als SDAJ fordern wir natürlich deutlich: Deutschland raus aus NATO und EU – NATO raus aus Deutschland! Wir sagen: Frieden mit Russland und der VR China! Gleichzeitig ist auch klar, dass der Kapitalismus immer zum Krieg drängt, um Absatzmärkte und Profite zu sichern. Für eine echte Perspektive und langfristigen Frieden müssen wir das System der Banken und Konzerne überwinden, deshalb kämpfen wir für den Sozialismus.

UZ: Die Ampel will das Land „kriegstüchtig“ machen. Überall ist von „integrierter Sicherheit“ die Rede, auch Schulen, Unis und Betriebe sollen auf Kurs gebracht werden. Was bedeutet diese Militarisierung für die Perspektiven der Jugend?

Ronja Fröhlich: Ich finde, SPD-Chef Klingbeil war Pistorius voraus, als er schon 2022 formuliert hat, Deutschland müsse nach 80 Jahren der Zurückhaltung wieder den Anspruch einer Führungsmacht haben. Nach zwei Weltkriegen will der deutsche Imperialismus den dritten Anlauf zur Weltmacht wagen, diesmal im Einklang mit NATO und EU. Für Jugendliche bedeutet das jetzt schon Wohnungsnot, Ausbildungsplatzmangel, Sozialabbau, Unterbezahlung und ein unterfinanziertes Bildungssystem. Um uns das schmackhaft zu machen, werden die schlechten Ausbildungsgehälter und Arbeitsbedingungen ausgenutzt, um die Bundeswehr überall von der Berufsmesse bis zur individualisierten Postkarte im Briefkasten als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Gleichzeitig werden neue Gesetze wie das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ auf den Weg gebracht, mit dem den Hochschulen die Zivilklausel verboten und den Schulen die Zusammenarbeit mit Jugendoffizieren vorgeschrieben wird, damit auch sicher keiner mehr der Anwerbung für den Krieg entkommt.

Wer sich dagegen wehrt und den Widerstand auf die Straße trägt, kann mit Polizeigewalt wie bei der Luxemburg-Liebknecht-Lenin Demonstration, Anklagen wegen angeblicher Volksverhetzung und Berufsverboten rechnen. Trotzdem dürfen wir uns von diesen Repressionen nicht abschrecken lassen, denn der Kampf für den Frieden, gegen Aufrüstung und Sozialabbau ist heute wichtiger denn je.

UZ: Der ganzen Kriegspropaganda zum Trotz mangelt es an Rekruten. Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) hat vor kurzem eine erneute Einführung der Wehrpflicht ins Spiel gebracht …

Ronja Fröhlich: Das wird zwar schon länger in verschiedenen Formaten, unter anderem auch in Verbindung mit einem Sozialen Pflichtjahr, diskutiert, nach dem Motto: Wenn du nicht für deutsches Großmachtstreben und NATO-Vorherrschaft an der Front sterben willst, dann musst du ein Jahr unbezahlt im kaputtgesparten Sozial- oder Gesundheitssystem arbeiten. Wir erleben aber in den letzten Jahren, dass diese Diskussion in der Öffentlichkeit mehr Raum einnimmt. Ich glaube, diese Debatte verfolgt vor allem das Ziel, die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und dadurch auch solche Gesetze wie jetzt in Bayern erst zu ermöglichen.

UZ: Zugleich gibt es einen massiven sozialen Kahlschlag. Vielerorts fallen Angebote für Jugendliche weg. Gekürzt wird auch bei der Bildung und Freizeit. Welche Rolle spielt der Zusammenhang zwischen Kriegs- und Kahlschlagpolitik in der politischen Arbeit der SDAJ?

Ronja Fröhlich: Der Zusammenhang ist einfach immer da. Egal ob bei den Tarifrunden, wo den Streikenden erzählt wird, für sie sei kein Geld da, während 100 Milliarden in Krieg investiert werden, oder wenn man keinen Raum hat, um sich mit Freunden zu treffen, oder wenn man sich das Mittagessen in der Mensa nicht mehr leisten kann. In all diesen Situationen zeigen wir als SDAJ auf, warum die Ursache dafür in der Profitlogik des Kapitalismus liegt. Und wir versuchen gemeinsam mit Freunden, Kollegen, Mitschülern und Kommilitonen in Aktion zu kommen.

UZ: Wie geht es nach der SiKo weiter?

Ronja Fröhlich: Als SDAJ haben wir in diesem Jahr noch einiges vor. Nach den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz stehen in vielen Orten die Ostermärsche an, bei denen wir uns bundesweit aktiv beteiligen. Dieses Jahr findet zeitgleich zu den Ostermärschen auch unser Bundeskongress statt, wo wir unser Zukunftspapier aktualisieren wollen und uns eine neue Handlungsorientierung geben, um die nächsten zwei Jahre gegen Krieg, Krise und Kapitalismus kämpfen zu können. Und auch wenn das Festival der Jugend erst 2025 wieder stattfindet, kommen wir dieses Jahr an Pfingsten auf unseren Pfingstcamps zusammen, um gemeinsam zu feiern, zu diskutieren und uns inhaltlich auszutauschen. Wir werden uns außerdem an den Demonstrationen zum 1. Mai beteiligen und auch dort die Friedensfrage setzen. Natürlich wollen wir auch die DKP als einzige konsequente Friedenskraft im EU-Wahlkampf unterstützen. Auch in diesem Jahr gibt es also wieder viele Möglichkeiten, gemeinsam gegen Profitlogik und für den Sozialismus zu kämpfen.

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"„Keiner soll entkommen“", UZ vom 16. Februar 2024



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