Christoph Hentschel über Kriege und Kanzlerschaften

Krieg gesucht

Von Januar bis September 2019 verzeichnete die UNO 579 Tote durch die Koalitionstruppen, die Afghanistan terrorisieren. Das ist der höchste Stand an zivilen Opfern seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Annegret Kramp-Karrenbauer interessierte das herzlich wenig, als sie deutsche Soldaten in Afghanistan besuchte. Sie nutzte die Gelegenheit lieber, um Kampfdrohnen für die Bundeswehr zu fordern. Sie begründete dies damit, dass man vorhandene Möglichkeiten auch einsetzen müsse. In den letzten Monaten hat Kramp-Karrenbauer kaum eine Gelegenheit versäumt, für Aufrüstung und Kriegseinsätze die Werbetrommel zu rühren.

Seit Margaret Thatcher und dem Falklandkrieg 1982 weiß jeder, dass die Herrschenden mit Kriegen in Übersee auch Wahlen in der Heimat gewinnen können. Diese einfache Rechnung verfolgt anscheinend auch Kramp-Karrenbauer. Umfragen besagen zwar, dass die Bevölkerung in Deutschland keine Bundeswehrsoldaten in fremden Ländern sehen möchte, dennoch schreitet Kramp-Karrenbauer unbeirrt ihren Weg zur Kriegskanzlerin weiter.

Die deutsche Rüstungsindustrie zum Beispiel hat ein Interesse, Kramp-Karrenbauer in Rang und Ehren zu halten. Zumindest legen das Ergebnisse der Rangliste der weltweit größten Rüstungsunternehmen nahe, die das Friedensforschungsinstitut „SIPRI“ am Montag veröffentlichte. Allein der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern konnte in den ersten neun Monaten dieses Jahres seinen Umsatz um 11,8 Prozent steigern. Dafür verantwortlich seien laut der Studie der gesteigerte deutsche Rüstungsetat, die gelockerten Exportbedingungen und die umfangreichen Aufrüstungspläne im Rahmen von „PESCO“. Alle drei sind – wie zufällig – Herzensangelegenheiten der Ministerin.

Bleibt Kramp-Karrenbauer stramm bei Fuß, fehlt ihr für die Kanzlerweihe noch der passende Krieg. Thatcher ließ dafür ihre und die gegnerischen Soldaten auf einer gottverlassenen Inselgruppe krepieren. Das dauerte keine zwei Monate und die Wahl war sicher. Der Afghanistankrieg eignet sich nicht dafür. Er dauert jetzt schon über 18 Jahre und bringt nur Tod und Elend nach Afghanistan und Flüchtlinge in die Heimat der Aggressoren.

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"Krieg gesucht", UZ vom 13. Dezember 2019



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