Zum Bundeswehreinsatz in Mali

Vor dem Scherbenhaufen

Mit dem Militärputsch in Mali stehen Bundesregierung und EU vor dem Scherbenhaufen ihrer Interventionspolitik an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. „Die Linke“ hat die Entsendung deutscher Soldaten nach Mali bereits nach dem Militärputsch von 2012 abgelehnt. Spätestens mit dem erneuten Staatsstreich vom 18. August, der Absetzung der verfassungsmäßigen Regierung unter Präsident Ibrahim Boubacar Keïta und der Errichtung eines Junta-Regimes sind die formalen Grundlagen für die militärische Kooperation im Rahmen der Ausbildungsmission EUTM Mali nicht mehr gegeben. Und auch die Rahmenbedingungen der UN-Mission MINUSMA entsprechen nicht mehr denen, auf deren Grundlage der Bundestag im Mai die Mandatsverlängerung beschlossen hatte. Die rund 1.000 deutschen Soldaten müssen aus dem westafrikanischen Land umgehend abgezogen werden, wollen sie nicht als Helfershelfer einer Militärjunta fungieren, die mit dem Versprechen angetreten ist, den Antiterrorkrieg zu intensivieren.

Der – von Teilen der Bevölkerung in der Hauptstadt Bamako begrüßte – Coup unterstreicht nachdrücklich, dass die internationale Militärpräsenz in Mali nichts dazu beigetragen hat, den Menschen dort Stabilität, Demokratie und Entwicklung zu bringen. Wer nach dem Putsch die Hoffnung hegte, nun käme die seit Wochen gegen Keïta und Co. protestierende Oppositionsbewegung zum Zuge, wurde rasch auf den Boden der Realität geholt. Eine schnelle Rückkehr zu einer zivilen Regierung wird es nicht geben. In einer „Übergangszeit“ von mindestens drei Jahren wollen die Putsch-Militärs erst einmal selbst das Sagen haben. Die Ernennung von Oberst Assimi Goita durch die Junta zum neuen Präsidenten, der an der Seite der französisch geführten Kampftruppe „Takuba“ bisher als Kommandant der malischen Spezialkräfte den sogenannten Antiterroreinsatz zu verantworten hatte, zeigt, wohin die Reise geht. Es ist absehbar, dass die Bundesregierung nach einer formellen „Anfrage“ aus Bamako ungeachtet ihrer Putsch-Kritik über kurz oder lang für die Fortführung des Krieges in Mali plädieren und dabei mit den Putschisten paktieren wird.

Erinnert sei daran, dass es bei dem französischen Militäreinsatz immer um die Uran- und Ölvorkommen in Mali und die französischen Uranminen im angrenzenden Niger geht. Frankreich hängt als Atommacht und Atomstromland stark von der Versorgung mit Uran ab. Ein Drittel seines Uranbedarfs bezieht Frankreich durch seinen Staatskonzern Orano aus dem Niger. Das immer stärkere Engagement in Mali soll dabei eine weitere Gefährdung französischer Konzerninteressen verhindern. Es steht zu erwarten, dass Bundeswehr und Putschisten sich diesem Ziel unterordnen.

Sevim Dagdelen ist Obfrau der Fraktion „Die Linke“ im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages

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"Vor dem Scherbenhaufen", UZ vom 28. August 2020



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