Neues Rüstungsexportgesetz geplant

Waffenlieferungen ohne Einspruch

Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung angekündigt, ein Rüstungsexportgesetz vorlegen zu wollen. Mitte Oktober 2022 veröffentlichte das zuständige Wirtschaftsministerium die „Eckpunkte für das Rüstungsexportkontrollgesetz“, die nach eigenem Bekunden den Weg für eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ ebnen sollen. Weil Waffenexporte nicht nur profitabel, sondern auch machtpolitisch hochgradig relevant sind, war hier allerdings von Anfang an Skepsis angebracht, was sich bei einem Blick in das Dokument bestätigt.

Problematisch sind insbesondere drei Bereiche: Dies betrifft einmal die Frage von Waffenlieferungen in Krisen- oder gar Kriegsgebiete, für die bislang ein halbwegs stabiler Konsens galt, dass diese eigentlich untersagt seien. Dies wurde zwar selbstredend auch immer wieder umgangen, machte das ganze Exportgeschäft aber durchaus mühsamer. Nachdem Deutschland aber laut dem Ukraine-Support-Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft allein zwischen Februar und Oktober 2022 Waffen im Wert von 1,2 Milliarden Euro an die Ukraine bewilligt oder geliefert hat, soll nun mit der bisherigen gängigen Auslegung ein für allemal aufgeräumt werden. Im Gesetzentwurf heißt es dazu: „Es soll ausdrücklich die Möglichkeit festgeschrieben werden, Länder, die sich in Konflikten befinden oder bei denen ein Ausbruch eines Konfliktes konkret zu befürchten ist, im Einklang mit den der deutschen Außenpolitik zugrunde liegenden Werten und den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und geltendem Völkerrecht in ihren legitimen Interessen, insbesondere dem Recht auf Selbstverteidigung, zu unterstützen.“

Ein zweiter, überaus problematischer Bereich betrifft den Export länderübergreifend entwickelter Rüstungsgüter. Vor allem Frankreich pocht darauf, sich hier nicht von angeblich zu peniblen deutschen Vorschriften behindern lassen zu wollen. Bereits im Oktober 2019 wurden diese Bedenken im deutsch-französischen Zusatzprotokoll zum Aachener Vertrag angesprochen, indem festgelegt wurde, dass ein Export gemeinsam gebauter Produkte nur im Falle einer Verletzung der „unmittelbaren Interessen“ blockiert werden dürften – und auch nur dann, falls der eigene Anteil über 20 Prozent liegt (De-Minimis-Grenze). Laut dem Entwurf für ein Rüstungsexportgesetz sollen nun mehr Länder in die Bestimmungen des Zusatzabkommens einbezogen und neue ähnlich gelagerte Vereinbarungen geschlossen werden (Spanien ist bereits mit im Boot). Außerdem will der Entwurf, dass künftig „im Falle des Exports gemeinsam produzierter Rüstungsgüter auch gemeinsame, mit (gegebenenfalls qualifizierter) Mehrheit getroffene Entscheidungen“ gelten sollen. Hierüber soll die De-Minimis-Grenze noch einmal deutlich angehoben werden, denn dabei sei eine „Stimmrechtsgewichtung anzustreben, die dem jeweiligen Umfang der Projektbeteiligung der Kooperationspartner entspricht“.

Ein letzter Aspekt, der vor allem diejenigen empört hat, die sich seit vielen Jahren für ein restriktives Exportgesetz einsetzen, ist der Verzicht auf die Möglichkeit von Verbandsklagen. Damit würden Vereine oder Verbände eine Klagebefugnis erhalten, mit der geprüft werden könnte, inwieweit sich die Regierung überhaupt an ihr eigenes Gesetz hält. Ausgerechnet das grün regierte Ministerium hat sich das unter der Ägide des ehemaligen Attac-Aktivisten und heutigen Staatssekretärs Sven Giegold geschenkt. Unter anderem Jürgen Grässlin, der Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, sparte deshalb zu Recht nicht mit Kritik. Der Entwurf sei ein „Schlag ins Gesicht“, schließlich sei ein Verbandsklagerecht „das entscheidende juristische Kontrollinstrument, mit dem die Regierung gezwungen werden kann, ihre Exportgenehmigungen streng am Gesetz auszurichten und nachvollziehbar zu begründen. (…) Es ist unglaublich enttäuschend und auch äußerst kurzsichtig, dass ausgerechnet das von den Grünen geführte BMWK (Wirtschaftsministerium, Anm. d. Red.) das Verbandsklagerecht – für das die Partei jahrelang gekämpft hat! – fallen lässt.“

Unser Autor ist geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e. V. in Tübingen.

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"Waffenlieferungen ohne Einspruch", UZ vom 18. November 2022



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