Über Demokratieabbau, sozialen Kahlschlag und Kriegspolitik in den Kommunen. Einleitung zum Erfahrungsaustausch Kommunalpolitik

Selber tun!

Auf ihrem 26. Parteitag führte die DKP drei große Runden zum Erfahrungsaustausch über die politische Arbeit im Betrieb, in der Kommune und in Friedensbündnissen durch. In den kommunalpolitischen Austausch leitete Parteivorstandsmitglied Vincent Cziesla ein, der Leiter der Kommunalpolitischen Kommission. Wir dokumentieren sein Referat gekürzt und redaktionell bearbeitet.

Bürgerliche Kommunalpolitiker sprechen gerne davon, dass sie sich vor Ort für „die Demokratie“ und ein „soziales Miteinander“ einsetzen wollen. Das klingt gut und wäre zu begrüßen, wenn sie sich dabei auch nur ein bisschen selbst ernst nehmen würden. Davon kann jedoch keine Rede sein. Denn dann müssten sie sich eingestehen, dass ihre Sonntagsreden nicht zu ihrer objektiven Aufgabenstellung passen. Dann müssten sie bekennen, dass sie gerade nicht als Vorkämpfer für das solidarische Gemeinwesen gebraucht werden, sondern als Prellböcke und Sachverwalter für den Abbau von sozialer Infrastruktur und von demokratischen Rechten.

In einem Aufsatz der „Landeszentrale für politische Bildung“ in Nordrhein-Westfalen habe ich diesen schönen Satz gefunden: „In der Gemeinde können die Bürgerinnen und Bürger in einem breiten Maße Demokratie praktisch einüben.“

Ich fürchte, das ist die Wahrheit. In der Kommune kann praktisch eingeübt werden, wie man sich mit dem vermeintlichen Sachzwang arrangiert. Praktisch wird die bürgerliche Demokratie eingeübt, wenn mit großem Eifer darüber diskutiert wird, ob man nun lieber den Jugendclub oder die Bibliothek schließt. Praktisch eingeübt wird die bürgerliche Demokratie, wenn öffentliche Grundstücke an private Konzerne verkauft werden und anschließend Verständnis für die teuren Mieten gepredigt wird, weil sich der Handel mit unseren Grundbedürfnissen rentieren muss. Auch, wenn die Bundeswehr auf dem Stadtfest für Rekruten werben darf, wenn kleine Kinder auf Panzern rumklettern und Jugendoffiziere in Schulklassen sprechen, wird die bürgerliche Demokratie praktisch eingeübt. Wir sagen: Übt euren Scheiß alleine! (…)

Die kommunale Selbstverwaltung fristet ihr Schattendasein im Grundgesetz. Praktisch ist sie jedoch tot. Ausgehöhlt von einer langanhaltenden strukturellen Unterfinanzierung der Gemeinden, die keinen Gestaltungsspielraum mehr lässt – aktuell massiv verschärft durch die Auswirkungen des Wirtschaftskriegs gegen Russland, durch die wahnsinnigen Ausgaben für Krieg und Hochrüstung.

Das ist kein Betriebsunfall, auch kein reiner Kollateralschaden. Eine wirksame kommunale Selbstverwaltung hat im Imperialismus keinen Platz. Im Gegensatz zum Bürgertum des 19. Jahrhunderts hat das Monopolkapital wenig Inte­resse an kleinteiligen Verwaltungseinheiten oder an innerörtlicher Infrastruktur. Mit zunehmender Konzentration von Kapital und Macht vollzieht sich eine Umgestaltung des politischen Überbaus.

Die geschieht nicht nur, indem den Kommunen die Mittel genommen werden, sondern auch, indem ihre rechtliche Stellung angegriffen wird. Planungsrecht wird zunehmend zentralisiert und ohne Rücksicht auf örtliche Belange, Umweltschutz oder soziale Bedürfnisse umgesetzt. Davon zeugen die „Planungsbeschleunigungsgesetze“ der vergangenen Jahre. Mit ihnen wurde beispielsweise der Bau von LNG-Terminals gegen den erbitterten Widerstand von anliegenden Kommunen auf Rügen durchgesetzt. Diese Verlagerung der Planungshoheit ermöglicht im zweiten Schritt auch den zügigen Aufbau von kriegswichtiger Infrastruktur. Auch das ist reaktionär-militaristischer Staatsumbau.

Nicht, dass Zwang notwendig wäre. Zahlreiche Städte und Gemeinden militarisieren sich selbst. Wenn es kein Geld gibt und wenn die Gemeinde am Tropf von Fördermitteln hängt, ist es leicht, die Militarisierung voranzutreiben. Es reicht, 100 Milliarden Euro für die militärische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen oder steigende Gewerbesteuern durch die Ansiedlung von Rüstungsbetrieben zu versprechen. Und die sonst handlungsunfähigen Kommunen stürzen sich auf Fördergeld und Kriegsgewinne wie die Fliegen in das Zuckerwasser.

(…)

In den vergangenen zwei Jahren seit unserem letzten Parteitag hat sich die Lage massiv verschlechtert. Die kommunalen Kassen sind leer. Im vergangenen Jahr haben die Gemeinden ein Rekord-Minus von mehr als 24 Milliarden Euro eingefahren. Dieses Defizit müssen wir alle ausbaden. (…)

Bezahlen müssen auch die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst. Sie sind in diesem Jahr angetreten, um Entlastung zu erreichen, drei freie Tage im Jahr, 8 Prozent mehr Lohn, mindestens 350 Euro. Was sie bekommen haben: Reallohnverlust, Mehrarbeit durch eine „freiwillige“ 42-Stunden-Woche und einen einzigen zusätzlichen Urlaubstag, aber auch erst ab dem Jahr 2027.

In der Tarifrunde haben Bund und Kommunen versucht, die Solidarität mit den Beschäftigten zu brechen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiterklasse, und die berechtigten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst wurden gegeneinander ausgespielt. Karin Welge, die Verhandlungsführerin der Kommunen, erklärte beispielsweise: „Jeder Euro, der für höhere Gehälter ausgegeben werden muss, fehlt an anderer Stelle, beispielsweise für wichtige Investitionen in die Daseinsvorsorge.“

Dieser Versuch, den Kahlschlag in den Kommunen zu instrumentalisieren, um Löhne zu drücken und die Ausbeutung zu verschärfen, zeigt, wie richtig unsere Orientierung ist: die Kämpfe in den Gewerkschaften und die Kämpfe in den Kommunen gehören zusammen. Wir lassen uns nicht spalten!

Wofür Geld da ist und wofür nicht, entscheidet sich anhand der Kräfteverhältnisse im Klassenkampf. Keine zwei Monate nach dem Abschluss im Öffentlichen Dienst bringt die Bundesregierung milliardenschwere Steuergeschenke für Konzerne auf den Weg. Rund 50 Milliarden Euro Einnahmeausfälle, ein gewichtiger Teil davon in den Kommunen. Eine Summe, die sich fast schon niedlich ausnimmt gegenüber den unbegrenzten Kriegskrediten, die sich die Bundesregierung genehmigt hat, und den hunderten Milliarden, die für Hochrüstung, Waffenlieferungen und Kriegsvorbereitung ausgegeben werden.

(…)

Soziale Infrastruktur verteidigen, Raum für unsere Bedürfnisse und die unserer Klasse in der Gemeinde erkämpfen, echte kommunale Demokratie herstellen und Militarisierung verhindern: Da rettet uns kein höheres Wesen – kein Bürgermeister und kein Stadtrat. Das können wir nur selber tun.

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"Selber tun!", UZ vom 27. Juni 2025



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