Zum Angriff auf die „junge Welt“

Unlogische Lektion

Weil Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“ mittels einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen wollten, weshalb die „junge Welt“ als einzige Tageszeitung regelmäßig im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, erteilte die Staatsmacht eine denkwürdige Antwort: Dass die „junge Welt“ vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hat laut Staatsgewalt seinen Grund im „revolutionären Marxismus“, den die Zeitung vertrete. Denn der revolutionäre Marxismus richte sich gegen Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Der Menschenwürde, die hierzulande verfassungsmäßig garantiert sei, widerspreche beispielsweise „die Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit“. Da der einzelne Mensch „als grundsätzlich frei zu behandeln“ sei, dürfe die marxistische Klassentheorie nicht konstatieren, dass der Mensch in der kapitalistischen Produktionsweise zum „bloßen Objekt“ degradiert werde.

Dergestalt verabreicht die Staatsgewalt ihren Staatsbürgern eine ideologische Lektion, deren Unlogik zum Nachdenken veranlassen könnte: Nicht die Existenz von Klassen in der kapitalistischen Gesellschaft widerspricht der „Menschenwürde“, sondern die Benennung dieses üblen Faktums.

Um das Nachdenken über die unlogische Lektion des Staatsapparates in Sachen marxistische Klassentheorie zu befördern, sei daran erinnert, dass das Ziel des revolutionären Marxismus die klassenlose Gesellschaft ist. Klassenlos aber kann die Gesellschaft erst dann werden, wenn die kapitalistische Produktionsweise überwunden wird. Die kapitalistische Produktionsweise nämlich ist es, welche die Gesellschaft in Produktionsmittelbesitzer und Arbeitskraftbesitzer „aufteilt“, damit die Produktionsmittelbesitzer ihr Geld vermehren können, indem sie die Arbeitskraftbesitzer bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen als „Humankapital“ vernutzen.

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"Unlogische Lektion", UZ vom 21. Mai 2021



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