Günter Pohl über die Außenpolitik der SPD

Wildwestbindung

Nils Schmid ist Außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. In einem Interview mit der Zeitschrift „IPG – Internationale Politik und Gesellschaft“ der Friedrich-Ebert-Stiftung versucht er, „klare Kante gegen Russland und China“ mit einem gleichzeitig nötigen Dialog in einen gedanklich logischen Schluss zu bringen – bei ihm ist das die Einbettung der deutschen Außenpolitik in die so genannte Westbindung.

Zur Erinnerung: Westbindung ist eine Art Synonym für Unterstützung von Völkermord in Korea und Algerien über Vietnam bis Syrien und Afghanistan, für Zusammenarbeit mit Massenmördern wie Idi Amin, Emilio Massera, den Mudschahedin oder dem IS, für Installierung und Ausrüstung von Diktaturen und Repressionsregimes aller Art wie in Chile, Kolumbien oder der Ukraine, für tödliche Sanktionsmaßnahmen gegen Kuba, Korea, Syrien oder Venezuela und für Freundschaft mit Rechtsextremisten egal wo – Hauptsache, sie sind Feind der Feinde westgebundener Länder.

Diese Einbindung in das „westliche Wertesystem und die Einbettung in die NATO“ machten laut Sprecher Schmid Entspannungspolitik erst möglich; genau dafür seien unter Willy Brandt sogar drei BIP-Prozente für Rüstung ausgegeben worden. Trotz all dieser Beispiele von werteorientierter Westbindung und der einer Aufrüstung inliegenden Logik von ja erst durch sie möglicher Abrüstung (für die wiederum es mit Biden einen Verbündeten gebe), weist der Sprecher darauf hin, dass „die SPD nie eine rein pazifistische Partei“ war. Das konnte die erstaunte Öffentlichkeit nicht wissen.

Die (west-)deutsche Außenpolitik von CDU, SPD, FDP und Grünen war natürlich nie an Pazifismus, sondern immer an Revanchismus orientiert. Als Regierungsparteien bringen sie Außenminister oder wie hier einen Außenpolitiksprecher hervor, der die Entsendung eines Kriegsschiffs in chinesische Küstengewässer für richtig hält wie auch von einer „schweren Beschädigung der europäischen Friedensordnung, wie wir sie nach 1989 vereinbart haben“, durch russische Angriffe auf Georgien und die Ukraine redet. Was auch immer nach 1989 wer mit wem vereinbart hat – Kleinigkeiten wie die gewaltsame Abtrennung des Kosovo aus serbischem Staatsgebiet 2008 führten offensichtlich nicht zu dessen Beschädigung. Daher kann Schmid auch ohne kritische Nachfrage verbreiten, dass es „eine bittere Erfahrung der vielen Begegnungen ist, dass Russland weiter die Regeln bricht“. Russland und der Westen hätten sich in den letzten dreißig (!) Jahren entfremdet.

Da war vor 1990 wohl alles gut. Und so lernen wir, was bei der SPD „Außenpolitischer Sprecher“ und „Mehr Fortschritt wagen“ meint, erkennen aber gleichwohl, was Schmid seinem grünen Pendant Nouripour voraus hat: „Sanktionen gibt es, wenn sich Russland aggressiv verhält – aber nicht notwendigerweise im Energiesektor.“ Zumindest nicht im Winter.

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"Wildwestbindung", UZ vom 17. Dezember 2021



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