Zum Kriegs- und Aufrüstungsbeschluss des Bundestags

Vernichtungsschulden

Handstreichartig ging es am Ende zu. 78 Minuten gönnte sich der Bundestag, um 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ für Aufrüstung ins Grundgesetz zu schreiben. Damit ist das durchlöcherte Grundgesetz auf Angriffskrieg getrimmt. Darüber hinaus wurde von einer erschreckenden Mehrheit im Parlament ein Gesetz beschlossen, mit dem das 2-Prozent-Ziel der NATO erreicht werden soll. Das wären 20 bis 30 weitere Milliarden im Bundeshaushalt für Krieg.

Deutschland soll zur größten konventionellen Militärmacht in Europa werden. Dazu gibt es Schiffe für die Marine und neue F-35-Angriffsbomber, die im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschland den Zugriff auf die hier gelagerten US-Atombomben sichern sollen.

Faktisch war Deutschland schon Kriegspartei gegen Russland. Diese Beschlüsse eskalieren die Gefahr der Ausweitung des Ukrainekrieges, erhöhen die Atomkriegsgefahr. Die Gefahr, dass der Krieg unser Land erreicht, war nach 1945 noch nie so groß. Der Kampf gegen die NATO und die Kriegspolitik Deutschlands ist die wichtigste und gleichzeitig die schwierigste Aufgabe unserer Zeit.

Die 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ zu nennen ist zynisch. Sie sind kein Vermögen, sondern Schulden. Zweitens sollen damit Waffen gekauft werden, deren einziger Zweck Zerstörung und Vernichtung ist. Richtiger wäre „Vernichtungsschulden“. Vernichtungsschulden, für die die Schuldenbremse nicht gilt. Die behält ihre Gültigkeit, wenn es um Gesundheit, Bildung, Wohnungsbau oder Klima geht. Die Waffen, die potentielle Konkurrenten der imperialistischen Staaten vernichten sollen, vernichten schon heute die Lebensgrundlage von Millionen Werktätigen in Deutschland. Die Herrschenden wissen, das kann schwierig werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck brachte es auf den Punkt: „Ob da dann die politischen Maßnahmen ausreichen, um gesellschaftlichen Frieden und das Gefühl, dass es fair in diesem Land zugeht, durchzuhalten, das wird die entscheidende Frage des Herbstes und des Winters werden.“

Für so viel Ehrlichkeit sollte ihm die Arbeiter- und Friedensbewegung dankbar sein. Den gesellschaftlichen Frieden kann es in der Klassengesellschaft nicht geben. Das, was Habeck dafür hält, ist die Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, die goldenen Ketten, mit denen die deutschen Arbeiter ans Kapital gefesselt wurden. Diese Politik haben die Herrschenden aufgegeben. Bei ihrer Kriegs- und Umverteilungspolitik fällt nichts mehr ab für die da unten. Noch gelingt es den Herrschenden, die Gewerkschaften in ihre Großmachtpläne einzubinden. Doch die Inflation frisst die erkämpften Lohnerhöhungen, bevor sie ausgezahlt sind. Die Steuergeschenke der Politik stecken sich die Konzerne in die Taschen.

Wir werden nicht bis zum Herbst warten, denn das Gefühl, dass es in diesem Land ungerecht zugeht und im Bundestag Politik gegen ihre Interessen gemacht wird, haben viele Werktätige.
Was sind unsere Aufgaben?

Wir unterstützen diejenigen, die sagen, dass Aufrüstung und Waffenlieferungen keinen Frieden schaffen. Wir müssen diese Gedanken beharrlich und geduldig in die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung tragen. Wir arbeiten daran, dass aus dem Gefühl der Ungerechtigkeit Bereitschaft zum Widerstand wird. Wir führen die Proteste gegen Kriegspolitik und den sozialen Kahlschlag zusammen, um diese zur Bewegung für die dringendsten Interessen der Werktätigen zu machen.

Mit Kriegspolitik und Kriegstreibern kann und darf es keinen Frieden geben.

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"Vernichtungsschulden", UZ vom 10. Juni 2022



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